006 - Ende eines Quellherren
ihrer Hand. Während das Gefäß klirrend zersplitterte, wälzte sich träge ein schmaler Feuerbach über den Boden.
»Tritar!« Eher ein Schrei denn ein Wort.
Er betrachtete sie, sah eine stattliche, kräftige Frau. Sie war kein junges Mädchen mehr, doch die Zeit hatte sie reifen, noch schöner werden lassen. Sie erschien ihm so begehrenswert wie in ihrer ersten gemeinsam verbrachten Nacht.
»Wie bist du …? Wenn sie dich finden …« Sie geriet ins Stocken, fand keine Worte für die über sie hereinbrechenden Gefühle. Dann fasste sie sich und fragte mit einer Spur von Kälte in der Stimme: »Was willst du noch von mir? Warum kommst du ausgerechnet jetzt?«
Soviel hatte er ihr sagen wollen; im Schlepper, auf der Fahrt zur Stadt, hatte er sich die Worte überlegt. Ihr gestehen, wie er die letzten Jahre bedauerte, in denen sie schwiegen, wenn sie sich einmal sahen. Sie bitten, nein, anflehen, ihn bei seinem letzten Gang zu begleiten. Ihr sagen, dass er sie noch immer liebte und wusste, dass auch sie ihn trotz allem noch genauso liebte.
»Ich will, dass du mit mir kommst«, sagte er statt dessen.
Sie betrachtete die sich ausbreitenden Flammen zu ihren Füßen, griff zu einer Decke und erstickte sie.
Dann setzte sie sich. »Wohin sollte ich mit dir gehen? Warum sollte ich dich noch begleiten?«
»Als wir uns kennen lernten …«, begann er unbeholfen. »Die ersten Jahre. Hast du all das vergessen? Es soll wieder wie damals sein.«
Sie wich seinem Blick aus. »Das kann es nicht.«
Er stürzte zu ihr, fasste sie an den Händen und versuchte, sie an sich zu drücken, doch ihr Körper blieb steif und sie ließ seine Liebkosungen ungerührt über sich ergehen.
»Mir zu liebe«, keuchte er, »denke an das, was wir miteinander geteilt haben.«
»Meinst du das Bett?«, erwiderte sie. »Auch daran kann ich mich in den letzten Jahren kaum erinnern.«
»Ein Quellherr hat seine Pflichten«, warf er verletzt ein.
»Natürlich«, stimmte sie zu. »Er hat möglichst viel zu vergessen, sich möglichst viele Haupt- und Nebenfrauen anzuschaffen und sich bei keiner unnötig lange aufzuhalten.«
»Ein Quellherr darf sich nicht binden«, sagte er. »Er muss alle Mitglieder seines Familienclans gleich und gerecht behandeln. Dafür muss er über ihnen stehen.«
»Als was bist du gekommen? Als Tritar oder als ehemaliger Clansvater?«
»Ich bin hier, weil … ich dich brauche.«
Sie presste die Lippen fest aufeinander und konnte dennoch ihr Zittern nicht verbergen. »Dann nimm mich mit«, sagte sie. »Halte mich fest. Wir wollen fliehen, an einen anderen Ort, in die Wildnis. Es gibt nicht nur Shabran.«
»Das kann ich nicht. Ein Quellherr hat den Weg zu Shan zu gehen.«
»Und ein Quellherr will seine wichtigsten Besitztümer mit ins Grab nehmen, um sie nicht den anderen überlassen zu müssen«, sagte sie verbittert. »Ein Besitztum in irgendeiner Kammer, das man ab und an betrachtet und benutzt hat und nun vor dem Raub retten will.« Sie befreite sich aus seinem Griff, fuhr herum und griff nach einer weiteren Öllampe.
Verwirrt wich Tritar dem Geschoß aus.
»Verschwinde!«, schrie seine Clansträgerin. »Ich will dich nie wieder sehen! Und ich will auch nicht, dass du den anderen in die Hände fällst!«
»Dazu ist es zu spät, meine Liebe«, erklang eine betont gezierte Stimme, die das leise Knirschen des Portals übertönte.
Tritar fuhr herum, verharrte dann bewegungslos.
Mit Tremish traten weitere Mitglieder aus dem Rat der Quellherren ein, Sahotin und Mishan und auch der ehrenhafte, aber starrköpfige Glaukol, der Tritar traurig anblickte, vorwurfsvoll den Kopf schüttelte und mit leiser Stimme murmelte: »Das hätte ich nicht gedacht. Nicht von dir, Tritar. Du hast den Kodex so schwer verletzt wie kaum ein anderer gescheiterter Quellherr, der zum Namenlosen wurde.«
Sahotin deutete auf die Frau, die einen Schritt zurückwich. »Sie wird mich in meinen Clan begleiten. Schade, dass du das Fest versäumen wirst.« Er spuckte Tritar ins Gesicht. »Namenloser.«
»Ein guter Kletterer bist du also«, lächelte Tremish. »Als ich erfuhr, dass du dich wie eine Ratte in den Häusern versteckt hältst, wusste ich, dass dein einziges Ziel Zetas Gemächer sein konnten. Dein Besitz war dir immer sehr viel wert. Fragt sich nur, wie du es jetzt mit deinem Leben hältst.«
Langsam wich Tritar zurück. Aus! , hämmerte es in seinem Kopf. Alles verloren! Mit dem Rücken stieß er gegen ein geflochtenes Gitterfenster, das den
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