0060 - Der Geisterfahrer
als der Ford gegen die Leitplanke krachte und darüber hinwegrollte. Wie ein Geschoß sauste der demolierte Wagen über die Böschung hinaus, landete dreißig Meter weiter auf dem Feld und überschlug sich wieder.
Die Sicherheitsgurte hielten Holger Redloff und seinen Beifahrer. Vor einer Baumgruppe, über sechzig Meter weit weg von der Autobahn, blieb der völlig zertrümmerte Ford liegen.
Blech knackte. Benzin floß aus den geborstenen Leitungen und dem aufgerissenen Tank. Holger Redloff und sein Beifahrer lagen in dem Trümmerhaufen eingeklemmt und waren längst nicht mehr bei Bewußtsein.
Ein Kurzschluß in der elektrischen Anlage des Wagens ließ Funken stieben und entzündete die Benzindämpfe. Gleich darauf zuckte eine gewaltige Stichflamme empor.
Das Autowrack war binnen zwei Sekunden völlig in Flammen gehüllt. Der rote Widerschein des Feuers schimmerte auf den entsetzten Gesichtern der Menschen, die am Rand der Autobahn zusammengelaufen waren.
Sirenengeheul ertönte aus der Ferne. Ein Hubschrauber der Autobahnpolizei und der Rettungshubschrauber waren unterwegs. Aber Holger Redloff und Josef Meier konnte keiner mehr helfen. Es war eine Gnade für sie, daß sie das Bewußtsein nicht mehr wiedererlangten.
Das Geisterfahrzeug des Schwarzen Todes war einen Augenblick, nachdem der Ford Taunus die Leitpinke überwand, im Nichts verschwunden. In der Rauchsäule, die von dem brennenden Autowrack aufstieg, hielt sich ein grauenvoller Gestank.
***
Dietrich Künzler hatte zwei Arten, Kommissar Mallmann, Suko und mir zu antworten: unverschämt oder lakonisch. In der Schloßkapelle hätten Herbergsgäste schon vor Wochen einen Unfug angestiftet, behauptete er. Er sei noch nicht dazu gekommen, die Folgen zu beseitigen.
Von einem Werwolf, einem Vampir oder einem Wiedergänger auf der Burg wollte er nichts wissen. Der Spuk sei ihm völlig unbekannt, was da in dem Brunnen geschehen sei, unerklärlich.
»Sie werden irgendeine Höllenmaschine hineingeworfen haben, Sinclair!« beschuldigte er mich. »Lassen Sie mir jetzt alle meine Ruhe, ich habe zu arbeiten. Wenn es Ihnen auf der Burg nicht paßt, dann verschwinden Sie doch!«
Mich juckte es in allen zehn Fingern, dem Kerl damit mein Autogramm auf die fetten Hamsterbacken zu schreiben. Suko sah ich es an, daß er ähnlich dachte. Selbst im Gesicht des sonst immer so beherrschten Will Mallmann zuckte es.
Ich preßte die Lippen zusammen. Künzler saß in seinem Büro im ersten Stock des Hauptgebäudes hinterm Schreibtisch und feixte hämisch. Da zog ich mein silbernes Kreuz aus der Tasche und hielt es ihm direkt vors Gesicht.
Künzler zuckte zurück wie vor einem glühenden Brandzeichen. Die starken Kräfte des Guten packten und schüttelten ihn. Schweiß rann ihm übers Gesicht.
»Nehmen – Sie – das – weg!« keuchte er.
»Warum?« fragte ich harmlos, und auf meinen Wink glitt Suko hinter den fetten Burgverwalter und hielt ihn fest, damit er nicht ausweichen konnte. »Was stört Sie denn so sehr daran, Herr Künzler?«
»Ich – oh – ach.«
Von einem Augenblick zum andern wurde sein Körper schlaff. Er war ohnmächtig geworden. Wir betteten ihn auf das Sofa, was nicht einfach war. Künzler wog bei knapp Einsfünfundsiebzig Größe gut 110 Kilo. Sein Mund mit dem Dreifachkinn darunter stand offen.
Ich fühlte ihm den Puls. Er schlug schwach, aber regelmäßig. Das Kreuz hatte ich weggesteckt.
»Er hat sich fein aus der Affäre gezogen«, schimpfte Will Mallmann. »Jetzt können wir ihn nicht weiter verhören.«
Ich hätte mich gern in Künzlers Büro umgesehen, aber da drängten die beiden Arbeiter, die zwei Gehilfinnen und die Köchin herein. Die Arbeiter waren alle beide finstere Kerle, die nichts Gutes ausstrahlten. Die eine Gehilfin hatte, zotteliges schwarzes Haar und Hände wie Krallen, die andere war bucklig.
Als sie den Mund öffnete, sah ich, daß sie spitze Zähne hatte. Die Köchin schließlich hatte eine für ihren Berufsstand ganz untypisch dürre Figur, einen sehr dunklen Teint und einen stechenden Blick.
Nach diesen Fünfen erschien auch noch der Beamte vom Amt für Bau- und Denkmalspflege. Die blaßblauen Augen hinter seiner randlosen Brille blickten starr und wirkten wie tot. Der Mann erinnerte mich an einen Zombie.
Die fünf Mitarbeiter der Burgverwalters begannen zu zetern und zu schimpfen. Der eine Arbeiter stieß dabei dumpfe, heulende Töne aus, eine Gehilfin zischte wie eine Schlange. Der Blick der Köchin konnte einem
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