0060 - Der Geisterfahrer
völlig im dämonischen Bann gefangen. Sie konnten kein Wort miteinander reden und kein Glied anders rühren, als die dämonischen Kräfte es ihnen befahlen.
Sie erlebten das Geschehen wie einen Alptraum. Sie wußten, was mit ihnen passierte, aber sie konnten nichts ändern. Eisige Kälte umfing sie, und eine ferne, schaurige Melodie klang an ihr Ohr.
Fürchterliche Angst erfaßte die beiden Männer. Noch war nichts passiert. Der Geisterwagen mit dem Schwarzen Tod am Steuer bog nach rechts ab. Zum Zubringer der Autobahn Frankfurt-Kassel.
Der Schwarze Tod brauste mit hoher Geschwindigkeit die Einfahrt entlang und wechselte abrupt auf die Ausfahrtsspur über. Holger Redloffs Ford 20 M hing in knappem Abstand an dem Geisterwagen wie die Stecknadel am Magneten.
Redloff und Meier blieb fast das Herz stehen. Trotz der Kälte brach ihnen der Schweiß aus. Aber sie konnten nicht einmal aufstöhnen.
Redloff vermochte den Fuß um keinen Millimeter vom Gaspedal zu nehmen oder gar zur Bremse zu bewegen.
Hupen gellten, Scheinwerfer blinkten auf. Redloff sah und hörte es wie durch einen Nebel und eine Watteschicht. Er mußte dem Schwarzen Tod und seinem Geisterwagen in einem tollen Slalom folgen, den ohne magische Kräfte nicht, einmal ein austrainiertes Rallye-As geschafft hätte.
Der Geisterfahrer und sein Opfer erreichten die Autobahn. Sie brausten in der falschen Richtung über Bad Homburg hinaus, an hupenden, blinkenden Fahrzeugen vorbei, deren Fahrer völlig entnervt und schlotternd auf dem Pannenstreifen stoppten.
Autofahrer rannten an die Notrufsäulen. Binnen Minuten prasselten über zwei Dutzend Warnmeldungen auf die Autobahnmeisterei und die Dienststelle der Autobahnpolizei nieder. Der Einsatzleiter gab sofort Alarm, er drückte einen roten Knopf.
Die Funkdurchsage ging an die Autobahnstreifen hinaus, gleichzeitig die Meldung an den HR 3. Sowie sie im Studio eintraf, unterbrach der Toningenieur sofort das laufende Programm. Der Sprecher nahm den Zettel mit der knappen Notiz in die Hand.
»Schon wieder!« ächzte er. Dann räusperte er sich kurz, drückte die Sprechtaste und sprach ins Galgenmikro: »Achtung, Achtung! Sonderdurchsage! Der HR 3 warnt alle Autofahrer auf der A 5 in Richtung Frankfurt! Zwischen Bad Homburg und Bad Nauheim fährt ein Geisterfahrer mit hoher Geschwindigkeit. Bitte…«
Holger Redloff und sein Beifahrer hörten die Meldung nicht. Redloff trat das Gaspedal durch. Die Wagen, auf die er mit auf geblendeten Scheinwerfern zubrauste, stoben zur Seite.
Es krachte auf der rechten Fahrspur und auf dem Pannenstreifen, alle drei Fahrzeuge beim Ausweichmanöver kollidierten. Dabei gab es einen Leichtverletzten und Blechschaden. Erneut warnte der HR 3 vor dem Geisterfahrer, da er auf Hup- und Lichtzeichen nicht reagierte. Die Polizei sollte den Wagen jetzt stoppen.
Holger Redloff bebte am ganzen Körper. Sein Lebenswille bäumte sich gegen das Unfaßbare auf. Alle Muskeln in seinem Körper waren verkrampft. Der dämonische Bann hielt ihn gefangen und zwang ihn voran.
Der Tachostrich kletterte und blieb bei 180 zitternd stehen. Redloff hörte die dämonische Melodie. Er starrte in die rotglühenden Augenhöhlen des Totenschädels an der Stoßstange des Geisterwagens.
Im letzten Moment wich der Geisterwagen einem alten Mercedes Diesel aus, der stur die Spur hielt. Am Steuer saß ein älterer Mann, der selten Autobahn fuhr. Radio hörte er beim Autofahren nie.
Als der Geisterfahrer ihm entgegenraste, als er beim Ausweichmanöver die Reifen kreischen hörte und nur um Haaresbreite dem Frontalzusammenstoß entging, erlitt er den Schock seines Lebens.
Der Schwarze Tod mit seinem Geisterwagen und sein Opfer rasten weiter. Sie passierten die Autobahnabfahrt Bad Nauheim, kurz bevor die Polizei eine Sperre errichten konnte. Holger Redloffs freier Wille war ausgeschaltet.
Aber sein Unterbewußtsein arbeitete und mobilisierte alle Energien. Der bärenstarke Mann zitterte am ganzen Körper und war nicht einmal fähig, das Lenkrad auch nur um den Bruchteil eines Millimeters anders zu bewegen, als der Schwarze Tod es ihm vordiktierte.
Doch plötzlich bäumte Holger Redloff sich auf. Mit einem krampfhaften Zucken verriß er das Steuer zur Seite. Sein Ford 20 M löste sich von dem Geisterwagen und schoß auf den Autobahnrand zu.
Zwischen einem haltenden Vierzig-Tonnen-Fernlaster und einem Porsche Targa schoß der Ford hindurch. Der Polier und sein Beifahrer schrien auf. Es gab einen höllischen Krach,
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