0060 - Der Geisterfahrer
einen bevormunden«, antwortete Roxane schnippisch.
Kommissar Mallmann ging nach draußen, um über das in seinem Wagen installierte Funkgerät das BKA in Wiesbaden anzurufen. Superintendent Powell in London, mein Vorgesetzter, wartete sicher bereits auf meine Meldung. Doch die würde er frühestens morgen erhalten, denn unternehmen konnte er doch nichts.
Ich stellte das Transistorradio etwas lauter. Roxane von Felseneck, Gisela Malthus, Jean Arnois und Bernard Roget überschütteten mich mit Fragen. Sie wollten alles mögliche über dämonische Mächte, Spuk und Magie und über mich und meine Arbeit wissen.
Ich antwortete ausführlich. Für die vier war es nicht leicht zu akzeptieren, was sie da hörten. Aber die Erlebnisse des vergangenen Tages und des heutigen hatten ihren Geist darauf vorbereitet.
Es gab eben Dinge zwischen Himmel und Erde, die weit über die Schulweisheit hinausgingen, und die mit den Naturwissenschaften allein nicht erfaßbar waren. Ein neues Weltgefüge entstand in den Gehirnen der beiden jungen Männer und der zwei Mädchen.
Ein vieldimensionales Universum, in dem magische Kräfte, Dämonen und selbst die Mächte der Hölle ihren Platz hatten. Es widersprach dem Einstein-Universum nicht, es ergänzte es.
Während wir redeten, wurde es Abend. Es dämmerte früh. Die Nacht brach ein, und wir bereiteten uns auf die Dinge vor, die auf uns zukommen konnten.
***
Kurz vor 21 Uhr hörten wir die erste Durchsage im Radio.
»Achtung, Achtung! Sonderdurchsage! Der HR 3 warnt alle Autofahrer auf der A 5 in Richtung Frankfurt!«
Ich sprang auf wie elektrisiert.
»Wieder ein Geisterfahrer! Wir müssen hin, Will!«
Suko sollte bei Roxane, Gisela, Jean und Bernard auf dem Zimmer bleiben. Er hatte eine mit Silberkugeln geladene Pistole und andere magische Waffen. Die Geisterfahrer-Aktionen waren außerordentlich wichtig.
An der Unfallstelle – denn einen schweren Unfall mußte es geben – konnte ich vielleicht mehr herausfinden und erreichen als auf der Burg. Will Mallmann federte sofort hoch, und wir rannten aus meinem und Sukos Zimmer zum Wagen.
Will Mallmann schloß auf und schaltete das Autoradio ein. Der automatische Wähler sprang auf die Frequenz des HR 3. Wir brausten los. Am Burgtor stoppte Will Mallmann, und ich sprang heraus, um es zu öffnen. Dazu mußte ich zwei schwere Querbalken zurücklegen.
Ich stemmte mich gegen das Tor, knarrend schwang es zurück. Als ich die beiden Torflügel offen hatte, wollte ich wieder in den Wagen springen.
Da hörte ich eine wohlbekannte Fistelstimme.
»So spät noch unterwegs, Mr. Sinclair und Herr Mallmann? Fahren Sie vorsichtig. Man hört in der letzten Zeit soviel von Geisterfahrern.«
Dietrich Künzler trat aus der Tür des wuchtigen Torturms. Sein höhnisches Lachen widerte mich an.
»Wenn einem Ihrer Gäste auf der Burg auch nur ein Haar gekrümmt wird, werde ich Sie zur Rechenschaft ziehen«, teilte ich ihm mit. »Dann halte ich Ihnen nicht nur ein Kreuz vors Gesicht.«
Das Lachen verging ihm. Kaum saß ich im Wagen, da röhrte der Motor des Opel Manta auf, und Kommissar Mallmann raste von der Burg weg, durch den Wald zur Straße hinunter. Wir hatten ein ganzes Ende zu fahren.
Zunächst über die B 455 zum Autobahnanschluß Bad Homburg.
»Unter dem Sitz liegt eine Magnetschiene mit Blaulichtaufsatz und Kabel, John«, sagte Will Mallmann. »Setz das Blaulicht aufs Dach und schließ es an. Dann schalte ich noch die Sirene ein. Und schnall dich fest, John, ja?«
Ich klickte zuerst den Gurt ein, denn Will Mallmann nahm die Kurven wie ein Rennfahrer. Ich fand das Blaulicht, kurbelte das Fenster herunter und setzte den Set auf. Die starke Magnetplatte hielt ihn. Am Ende des Kabels hing ein Stecker, der in eine Anschlußbuchse neben dem Autoaschenbecher paßte.
Jetzt brauchte Will nur noch zwei Schalter umzulegen, und schon blitzte über uns das Blaulicht auf und die Sirene heulte gellend. Es nutzte uns viel, die anderen Verkehrsteilnehmer räumten für uns die Straße, und wir konnten bei Rot über die Ampeln brausen.
Das Autoradio hatte Will wieder abgeschaltet. Statt dessen hörten wir übers Funkgerät den Polizeifunk ab. Die Meldungen überschlugen sich. Der Geisterfahrer näherte sich mittlerweile Bad Nauheim. Jeden Augenblick konnte die Katastrophe geschehen.
Ich bebte innerlich für die Menschen in dem Geisterfahrerauto. Daß sie ihre Amokfahrt nicht freiwillig unternahmen, war mir klar. Zwei Männer waren es, hieß es im
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