0060 - Der Geisterfahrer
der Flugbrille und dem Bügelmikrofon vorm Mund.
Geduckt liefen Kommissar Mallmann und ich zur Einstiegluke hin, die wir von außen öffnen mußten. Mallmann stieg zuerst in die Kabine. Vom Einstieg aus warf ich noch einen Blick zurück.
Die Feuerwehrleute waren dabei, mit Blechscheren und Stemmeisen die verkohlten Leichen aus dem Autowrack zu bergen. Polizisten mit Zinksärgen warteten schon. Als ich die Zinksärge sah, mußte ich wieder an meine Freunde auf Burg Felseneck denken.
Brauchten auch sie solche Särge?
***
Suko, die beiden jungen Franzosen und die zwei Mädchen hielten sich noch immer im Zimmer Sukos und Johns auf. Im Wirtschaftsgebäude gegenüber der Kemenate brannte im ersten Stock in mehreren Zimmern Licht. Dort lag Künzlers Büro. Beim Söller leuchtete eine Lampe.
Eine unheilvolle Atmosphäre brütete über der Burg. Die vier jungen Leute unterhielten sich nur flüsternd. Suko sagte ab und zu einmal etwas. Sowohl die Franzosen als auch die deutschen Studentinnen sprachen recht gut Englisch, so konnten sie sich mit Suko verständigen.
John Sinclair und Kommissar Mallmann waren schon eine halbe Stunde fort. Aus dem Radio wußten die fünf im Zimmer, daß der Geisterfahrerwagen verunglückt war und daß es zwei Tote gegeben hatte. Sie waren tief betroffen. Auf der Burg hatte sich bisher nichts geregt. Roxane erhob sich und wendete sich zur Tür.
»Wohin wollen Sie?« frage Suko.
»Mir die Nase pudern«, antwortete das rothaarige Mädchen etwas schnippisch. »Wir brauchen doch hier wirklich nicht alle herumzusitzen wie die Karnickel bei einem Gewitter.«
»Seien Sie vorsichtig«, sagte Suko. »Es ist gefährlich hier.«
Roxane zog eine Schnute. Sie hatte kaum das Zimmer verlassen, als auch Bernard aufstand. Er sagte, er wolle etwas in seinem Zimmer besorgen. Suko runzelte die Stirn, aber dann nickte er. Er postierte sich bei der Tür, um im Notfall bei einer dämonischen Attacke sofort eingreifen zu können.
Der Korridor wurde von einer einzelnen Glühbirne nur spärlich erhellt. Bernard wartete, bis Roxane jene Tür am Ende des Korridors verließ, hinter der es gelegentlich zu rauschen pflegte.
Sie schritt ihm entgegen, und Bernard packte ihren Arm.
»Mademoiselle Roxane, bitte folgen Sie mir aufs Zimmer, ich muß Ihnen etwas erklären.«
Er war so aufgeregt, daß er fast stotterte. Roxane belächelte den kleinen Franzosen, aber sie folgte ihm. In dem engen Zimmer, das Jean Arnois und Bernard Roget teilten, sah es nicht gerade ordentlich aus. Schuhe, Socken und andere Kleidungsstücke lagen herum, eine halbvolle Weinflasche stand auf dem Tisch.
Bernard schloß die Tür. Er legte die Hand in der Herzgegend auf seine rundliche Brust und schaute zu Roxanes Augen hinauf. Sie befanden sich ein ganzes Stück über den seinen.
Er atmete schwer.
»Aber was ist denn?« fragte Roxane. »Ist Ihnen nicht wohl?«
Da brach es aus Bernard Roget heraus.
»Mademoiselle Roxane, wollen Sie mich heiraten? Nein, unterbrechen Sie mich nicht, ich bitte Sie, lassen Sie mich ausreden.«
Bernard sank auf ein Knie nieder und reckte pathetisch die Linke empor.
»Ich habe mich unsterblich in Sie verliebt im selben Moment, in dem ich Sie sah. Sie sind die Frau für mich. Mein ganzes Streben und Trachten wird von jetzt an nur noch darauf ausgerichtet sein, Sie zu erobern, Mademoiselle. Ich weiß, Sie nehmen mich jetzt vielleicht noch nicht ernst, aber Sie werden schon erkennen, wie ernst ich es meine. Ich weiß auch, ich bin nicht schön, und ich bin klein. Aber auch Napoleon war klein, und er ist der größte und bedeutendste Mann seiner Zeit gewesen.«
»Sie wollen mich also heiraten und ein Napoleon der Zahnmedizin werden?« fragte Roxane lachend. »Stehen Sie auf, lieber Bernard, Sie müssen den Kopf verloren haben. Morgen werden Sie über diesen Antrag lachen wie ich jetzt. Ich will Sie nicht kränken, ich fühle mich sogar sehr geehrt. Aber erstens möchte ich in den nächsten vier, fünf Jahren überhaupt noch nicht heiraten. Zweitens bezweifle ich auch, ob wir zueinander passen würden. Außerdem kennen wir uns ja kaum.«
»Mademoiselle, Sie können Bernard Roget gleich kennenlernen.«
Der etwas pummlige Franzose sprang auf und begann, Roxane seine persönlichen Verhältnisse darzulegen. Er berichtete von seiner Familie, von seinen jetzigen finanziellen Verhältnissen und seinen Zukunftsplänen.
Sogar die Kinderkrankheiten, die er gehabt hatte, verschwieg er nicht. Roxane wehrte lachend
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