0060 - Der Geisterfahrer
gegeben hatten, fiel mir ein.
Er paßte wie die Faust aufs Auge. Ich erzählte von dem Geisterfahrer-Unfall, und ich erwähnte, daß der Polier Holger Redloff und der Verputzer Josef Meier die Geisterfahrer gewesen waren und den Tod gefunden hatten. Zwei Männer, die noch an diesem Tag auf der Burg gearbeitet hatten.
Wir hatten die Namen der beiden Unfallopfer an Bord des Hubschraubers über den Polizeifunk gehört. Bei dieser Gelegenheit erfuhren wir auch, daß es sich um zwei Mann von der Verputzerkolonne handelte. Denn zuvor hatten wir die Namen der Arbeiter ja nicht gekannt.
»Um diese Faulenzer ist es nicht schade«, war Künzlers Kommentar.
Jetzt rutschte mir doch die Hand aus. Ich hieb dem fetten Burgverwalter und Herbergsleiter die Ohrfeige herunter, die er schon lange verdiente. Ich dachte an die schreckliche Angst und das Grauen, das die beiden Männer Redloff und Meier in den letzten Minuten ihres Lebens ausgestanden hatten.
An ihren Tod in dem völlig zertrümmerten, brennenden Autowrack.
Da konnte ich nicht anders. Es sah aus, als wollten sich Künzler, der Burgarbeiter und der Beamte auf uns stürzen. Aber dann hob Künzler die Hand, die Geste stoppte den finsteren Arbeiter und den mageren Beamten.
»Was sagen Sie dazu, Herr Kommissar?« rief Künzler anklagend. »Ihr englischer Kollege hat mich geschlagen. Muß ich mir das gefallen lassen?«
»Keineswegs«, antwortete Will Mallmann trocken. »Sie können gern herkommen und sich von mir noch eine Ohrfeige auf die andere Backe holen, damit Sie nicht einseitig werden.«
»Das werden Sie bereuen! Alle miteinander! Ihr sollt den Adep…«
Er verstummte, drehte sich abrupt um und schritt zum Hauptgebäude. Der Arbeiter und der Beamte hielten sich nicht länger bei uns auf. Der Hubschrauber war nur noch leise von ferne zu hören. Die Maschine verschwand in Richtung Wiesbaden.
Ich war sicher, daß Künzler Adept hatte sagen wollen. Ein Adept war ein Eingeweihter, ein Jünger eines Geheimkults oder einer Geheimlehre. Aber noch kein weit Fortgeschrittener oder Meister. Dietrich Künzler war der Adept des Schwarzen Todes. Das erläuterte ich Suko, dem Kommissar und den vier jungen Leuten, als wir zum Kemenatengebäude gingen. Wir suchten Sukos und mein Zimmer auf. Die Geisterstunde wollten wir alle zusammen abwarten, wenn dann nichts geschah, wollten wir uns schlafen legen, denn wir waren hundemüde.
»John, glauben Sie, daß Künzler ein Dämon ist?« fragte Roxane.
Sie hatte ihr roten Haare mit einem blauen Tuch zusammengerafft. Ein Blouson aus Nappaleder, Bluse, eine Kette mit Modeschmuck, Jeans und hohe Stiefel vervollständigten ihren Dreß. Gisela Malthus war in ihrem bunten Folklorekleid auch nicht reizlos.
Aber ihr fehlten das Flair und die Vitalität von Roxane von Felseneck.
»Der Burgverwalter hat viel Dämonisches an sich«, antwortete ich. »Ich bezweifle, ob er mit einer normalen Waffe wie mit einem Messer oder einer Pistole zu töten wäre. Aber ein echter Dämon der Hölle ist er noch nicht.«
»Vermutlich wäre er gern einer«, meinte der Kommissar.
Ein Höllendämon hatte ungeheure magische Kräfte und immense Fähigkeiten. Künzler war, um in einen andern Jargon zu verfallen, noch ein Lehrling. Wenn er mich, Suko und Will Mallmann ans Messer lieferte, hatte er sein Gesellenstück vollbracht.
***
Wenige Minuten vor Mitternacht erlosch das Licht. Wir hatten vorgesorgt und Kerzen bereitgestellt. Ihr Schein erhellte das Zimmer. Wir saßen noch alle zusammen. Suko, Will Mallmann und ich, Roxane, Gisela, Jean und Bernard.
Jean hatte auf der Gitarre geklimpert, aber es wollte sich keine rechte Stimmung einstellen. Was ich von der Todesfahrt der beiden Männer von der Verputzerkolonne und dem Auftreten des Schwarzen Todes bei der Autobahn erzählt hatte, war allen aufs Gemüt geschlagen.
Nur Bernards Gedanken weilten ganz woanders. Er sah Roxane ständig an wie ein Mondsüchtiger das Nachtgestirn. Fast genauso unerreichbar war sie für ihn wohl auch.
Denn Roxanes grüne Nixenaugen funkelten mich immer wieder an.
Bei Kerzenlicht warteten wir. Suko und ich spähten aus dem Fenster. Draußen leuchtete wieder jener düstere Schein, und über dem Söller flammte die glühende Scheibe mit den kabalistischen Symbolen. Im Hauptgebäude brannte kein Licht, auch sonst nirgends.
Eine schwarze Wolke hatte sich vor den Halbmond geschoben, und Finsternis herrschte um die Burg. Schwefelgestank und Kälte krochen ins Zimmer. Vom Söller oben
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