0062 - Wir fanden die geballte Ladung
wuchtig in den Korridor. Es war Lady Lesfor, die mit ihrem urtiefen Bass brüllte: »Man hat mir Schmuck gestohlen! Diebe! Man hat mir Schmuck gestohlen!«
Mein Blick suchte Ferrerez. Er hatte sich abgewendet und schnäuzte sich in sein Taschentuch. Wollte er sein Gesicht verbergen?
***
Phil und ich saßen in Lady Lesfors Kabine. Conder hatte sie zuerst ein bisschen beruhigt, dann uns gewinkt und schließlich der Lady klargemacht, dass wir FBI-Beamte wären.
»FBI!«, knurrte sie. »Da sind also sogar Polizisten an Bord, und trotzdem wird man bestohlen! Schöne Polizei!«
Ich weiß nicht, welche Vorstellungen sie sich von uns machte, aber sie schien uns schon deshalb für hoffnungslose Nieten zu halten, weil trotz unserer Anwesenheit auf dem Schiff ihr Schmuck gestohlen werden konnte.
Wir überhörten ihre Anspielungen und begannen so etwas wie ein Verhör.
»Lady Lesfor«, sagte ich. »Wo hatten Sie den Schmuck verwahrt?«
Sie sah mich groß an.
»Verwahrt? Ich hatte ihn natürlich in meiner Kabine!«
»Aber die Kabinentür war doch abgeschlossen?«
»No. Warum sollte ich die Tür abschließen? Ich hasse es, alle fünf Minuten eine Tür auf- oder abschließen zu müssen.«
Ich machte die Augen zu und holte tief Luft. Lieber Himmel, was gab es doch für Menschen! Schleppen ein Vermögen an Juwelen mit sich herum und hielten es dann noch nicht einmal für nötig, die Tür abzuschließen!
»Aber Sie hatten den Schmuck doch wenigstens in einer Kassette, nicht wahr?«
Wieder dieser verständnislose Blick.
»Nein, warum denn? Das wäre doch viel zu unpraktisch gewesen! Ich brauche ihn doch dauernd!«
Phil ließ sich erschlagen in einen Sessel sinken.
»Demnächst legen die Banken ihre Geldscheinbündel offen auf die Straße, weil sie es doch dauernd brauchen«, seufzte er.
»Junger Mann«, fauchte Lady Lesfor. »Wollen Sie an meinem Verhalten Kritik üben?«
Phil wurde es zu bunt.
»Allerdings, ja! Und wenn Sie jetzt auf der Stelle in Ohnmacht fallen: Ich übe sogar die schärfste Kritik an Ihrem Verhalten! Sie schleppen ein Vermögen von Schmuck mit sich herum, aber Sie haben es nicht nötig, die Kabinentür abzuschließen, ja, Sie lassen in einem unabgeschlossenen Raum sogar dieses Vermögen griffbereit und einladend herumliegen! Als FBI-Beamter muss ich für Sie den Dieb suchen. Als Mensch aber sage ich Ihnen: Soviel grenzenloser Leichtsinn musste geradezu bestraft werden! So, das war alles, was ich dazu zu sagen habe!«
Er stand auf und verließ die Kabine. Ich konnte es ihm nicht übel nehmen. Wir hätten jetzt weiß Gott andere Dinge zu tun gehabt, als einem Schmuckdieb nachzujagen. Aber da musste eine halb verrückte alte Frau uns so etwas einbrocken mit ihrem sträflichen Leichtsinn!
»Lady Lesfor«, sagte ich mit aller Geduld, zu der ich nur fähig war, »wann haben Sie den Schmuck zum letzten Mal gesehen?«
»Vor einer Stunde, als ich zum Essen ging.«
»Diese ganze Zeit über stand Ihre Kabine offen?«
»Die Tür war zu.«
»Ich denke, Sie hatten nicht abgeschlossen?«
»Abgeschlossen war auch nicht! Himmel, was haben Sie für eine lange Leitung! Die Tür war nicht abgeschlossen, aber sie war selbstverständlich eingeklinkt.«
»Das ist für einen Dieb tatsächlich ein enormes Hindernis«, nickte ich. »Welche Schmuckstücke fehlen?«
»So genau kann ich das auch nicht sagen. Mein Gott, junger Mann, glauben Sie denn vielleicht, ich wüsste auswendig, wie viel Ringe oder Armbänder ich habe?«
»Vielleicht denken Sie mal ein bisschen darüber nach!«
Sie schnaufte: »Das kann ich jetzt nicht. Ich bin viel zu erschüttert von diesem Diebstahl!«
Ich stand auf und ging zur Tür.
»Schön«, sagte ich. »Ich kann jetzt keine Nachforschungen einleiten. Ich bin viel zu erschüttert über Ihr mangelndes Interesse an der Sache. Sie scheinen ja gar keinen Wert darauf zu legen, den Schmuck zurückzubekommen.«
»Sind Sie wahnsinnig?«, bellte sie mich an.
»Sagten Sie wahnsinnig?«, fragte ich, indem ich mich umdrehte. »Wer von uns beiden ist das wohl? Ihnen wurde der Schmuck gestohlen, nicht mir. Sie verweigern jede sachliche Auskunft, nicht ich. Sie ließen den Krempel offen herumliegen, nicht ich! Wer ist da wohl der Wahnsinnigere?«
Es ging nicht anders. Man musste diese aufgeblasene Person erst ein bisschen zurechtbiegen. So konnte es schließlich nicht weitergehen. Ich hätte zwei Stunden mit ihr gesprochen, und nichts als Vorwürfe gehört.
Lady Lesfor starrte mich an, als
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