0062 - Wir fanden die geballte Ladung

aufgehört.
    Plötzlich schrie Phil: »Haltet ihn fe…«
    Aber es war schon zu spät.
    Mit weiten Sprüngen hetzte Verez quer über das Deck.
    Ich jagte ihm nach. Ich bin kein Weltrekordler, aber ich war immer gut auf der kurzen Strecke. Nach einigen verwegenen Sprüngen hatte ich ihn an der Schulter und riss ihn herum.
    »Du verdammter Hund!«, keuchte er.
    Er strengte sich an, er versuchte alle Kniffe und alle gemeinen Griffe, die er im Laufe seiner Ganovenlaufbahn gelernt hatte.
    Ich erinnerte mich aller Gegenmaßnahmen, die man uns in den ständigen Jiu-Jitsu-Kursen einschärfte.
    Nach kurzer Zeit schon hatte ich ihn in einem Griff, in dem er sich nicht rühren konnte, wenn ich es ihm nicht erlaubte.
    »So«, sagte ich. Ich wollte jetzt den letzten Bluff versuchen. »Jetzt unterhalten wir beide uns mal auf dem Heck allein. Ohne Zeugen. Vielleicht bist du dann so lieb und verrätst mir, wo du die Sprengladung versteckt hast.«
    Er wurde kreidebleich.
    »Ich will nicht!«, schrie er. »Ich will nicht!«
    »Das nützt dir nichts. Die Frauen wollten auch nicht sterben.«
    Ich schleppte ihn zum Heck. Phil verstand mein Vorhaben und blieb zurück.
    »Der dritte Grad ist verboten!«, brüllte er.
    »Ach? Das weißt du? Aber dass es verboten ist, andere Leute umzubringen, das war dir unbekannt?«
    Er schlug um sich, dass ich ihn wieder ein bisschen anfassen musste, und schließlich standen wir beide auf dem Heck des Schiffes.
    »Also«, sagte ich. »Wo ist die Sprengladung?«
    »Eher krepiere ich, ehe ich es sage.«
    Es war umsonst. Er blieb eisern, und mir widerstrebte es, Wehrlose zu prügeln. So etwas war noch nie mein Fall.
    Verärgert über die Aussichtslosigkeit meines Unternehmens zog ich ihn vom Heck weg. Sollte er wirklich schweigen und uns alle in die Luft fliegen lassen?
    Ein flaues Gefühl stieg mir von den Zehen her in die Knie, über die Oberschenkel bis in den Magen.
    Glauben Sie nur ja nicht, dass ich ein Superheld oder so etwas bin. Ich habe mein Leben ebenso gern wie jeder andere auch, und von einer vorzeitigen Beerdigung halte ich denkbar wenig.
    War es vielleicht doch zu viel gewesen, dieses gewagte Spiel mit ihm zu treiben? Würde er tatsächlich schweigen?
    Ich sah ihn von der Seite her an.
    »Noch fünfzehn Minuten«, bemerkte Phil.
    Seine Stimme klang nicht mehr ganz so gelassen wie zuerst. Oder bildete ich mir das nur ein?
    ***
    »Noch zehn Minuten«, sagte Phil.
    Ich griff nach den Zigaretten.
    Wir hatten Verez absichtlich keine Zigarette gegeben. Erst sollte er uns sagen, wo die Bombe versteckt war…
    »Noch fünf Minuten«, sagte Phil.
    Ich fühlte, wie es mir kalt über den Rücken lief.
    Plötzlich schoss Verez aus unserer Mitte davon wie ein Torpedo.
    Ich schnellte mich nach. Aber ich bekam ihn nicht mehr zu fassen.
    Wie ein Pfeil schnellte er über die Reling und schoss in einem Hechtsprung ins Wasser.
    Ich riss mein Jackett herunter, da rief Phil: »Und die Haie?«
    Ich stockte. Etwas würgte in meiner Kehle. Dann sahen wir über die Reling.
    Verez war gerade aufgetaucht. Aber von drei Seiten schossen schmale Striche auf ihn zu.
    Und plötzlich gellte uns ein Schrei in die Ohren, den ich zeit meines Lebens nicht wieder vergessen werde.
    ***
    »Sie sollten jetzt wirklich von Bord gehen«, sagte Conder. »Ich habe für Sie das kleine Motorboot backbord liegen lassen…«
    Conder stand auf einmal neben uns.
    Phil sah auf die Uhr: »Noch knappe vier Minuten. Wir könnten es gerade noch schaffen. Aber nur mit Ihnen zusammen, Conder.«
    Conder schüttelte den Kopf.
    Phil zuckte die Achseln. Er war blass im Gesicht.
    »Na, schön«, murmelte er. »Fliegen wir eben zu dritt in die Luft, wir Idioten. Gute Himmelfahrt! Das hätte ich mir wirklich nicht träumen lassen, als ich in La Guaira an Bord ging. Du etwa, Jerry?«
    Vor meinem geistigen Auge stand das Bild, als wir an Bord gingen. Das Suchen nach den Schiffskarten. Das Gelächter der Polizeikollegen von Caracas, die uns zum Schiff gebracht hatten.
    Ich spürte noch ihre schmatzenden Küsse auf den Wangen, mit denen sie sich von uns verabschiedeten. Ich hörte ihre temperamentvollen Rufe.
    Und plötzlich sah ich auch wieder den Mann auf dem vorderen Ladebaum. Oben am Mastkorb…
    »Der vordere Ladebaum!«, schrie ich mit einer Stimme, die sich überschlug. »Der vordere Ladebaum!«
    Conder und Phil kapierten zuerst überhaupt nichts.
    Ich lief schon.
    Ich glaube nicht, dass ich schon einmal schneller gelaufen bin. Ich flog förmlich über