0063 - Sandra und ihr zweites Ich
keuchend. »In den Keller mit ihr! Ich werde mich später um dich kümmern, Jane Collins!«
Mr. und Mrs. Flint schleppten die Wehrlose aus der Küche. Jane redete beschwörend auf die beiden ein, doch sie hörten nicht. Der böse Geist hatte ihren eigenen Willen ausgelöscht.
Hilflos mußte Jane alles mit sich geschehen lassen. Mr. und Mrs. Flint zerrten sie die Kellertreppe hinunter und stießen sie unten angelangt in einen engen, finsteren Raum. Im nächsten Moment schlug eine Eisentür krachend zu. Der Schlüssel drehte sich zweimal herum.
Jane Collins war allein in der Finsternis. Keuchend lehnte sie sich gegen die Wand.
Ihr Alleingang hatte sie in böse Schwierigkeiten gebracht. Ans Aufgeben dachte sie trotzdem nicht. Irgendwie würde sie sich schon aus der Klemme befreien.
Doch dann hörte sie Schritte vor ihrem Gefängnis. Das Blut erstarrte in ihren Adern.
Die Eisentür flog auf. Der Dämon trat ein.
***
Es kam selten vor, daß ich so gar nichts in der Hand hatte, keine Anhaltspunkte und keine Vermutung, worum es sich drehte. Meistens gingen die bösen Mächte sehr massiv vor. Ich brauchte nur an meine verschiedenen Abenteuer zu denken, dann lief es mir kalt über den Rücken. Jedesmal hatte ich einen ganz bestimmten Gegner gehabt.
Diesmal war es anders. Ich saß in meinem Bentley und ließ ihn ziellos durch die Straßen rollen. Ich jagte hinter einem Phantom her.
Trotzdem… ich mußte etwas unternehmen. Ich dachte an das Ehepaar Flint, aber was sollte ich da. Ich hatte mit den beiden gesprochen. Sie waren nicht in der Lage, die Tatsachen zu erkennen. Bei ihnen konnte ich nichts mehr erfahren.
Alles hatte bei Sandra Stanwick begonnen. Sie war in einen Dämon verwandelt worden. Sie hatte Larry Flint getötet. Ich mußte mehr über diese geheimnisvolle Frau herausfinden. Das konnte ich nur in ihrer Villa in Wimbledon, genauer gesagt, in der Ruine. Ich fuhr also nach Wimbledon. Inzwischen hatte sich der Nebel verzogen. London war wieder eine normale Stadt.
Schwarz ragten die restlichen Mauern des niedergebrannten Hauses in den trüben Novemberhimmel. Obwohl es noch früher Nachmittag war, erschien es mir hier besonders dunkel. Wahrscheinlich täuschte ich mich. Das geschwärzte Gras, die verkohlten Büsche, die umgestürzten Bäume, das alles wirkte bedrückend.
Viel war von dem Haus nicht übriggeblieben. Als ich die Satansstatue vernichtete, breiteten sich die dämonischen Kräfte explosionsartig aus und zerstörten das gesamte Haus. Die Schäden waren jedoch nur auf diesem einen Grundstück aufgetreten. Die Nachbarhäuser waren völlig unversehrt geblieben.
Bevor ich das Grundstück betrat, öffnete ich meinen Spezialkoffer. Er besaß ein Schloß, das nur ich bedienen konnte. Einem Uneingeweihten wäre sofort Betäubungsgas ins Gesicht gesprüht und hätte ihn außer Gefecht gesetzt.
Mein Blick glitt über die mit rotem Samt ausgekleideten Fächer. Ich konnte mich zwischen einer Pistole, die Bolzen verschoß, meinem silbernen Dolch, der magischen Kreide oder der Gnostischen Gemme entscheiden. Meine Wahl fiel auf die Gemme. Hier hatte ich es nicht mit Vampiren zu tun, so daß die Druckluftpistole und die Bolzen ausfielen. Den Dolch setzte ich nur ein, wenn ich einen Gegner aus dem Dämonenreich von Angesicht zu Angesicht bekämpfen mußte. Und die magische Kreide hätte mir auch nicht geholfen, da ich keine Beschwörung durchführen mußte.
Behutsam holte ich die Gnostische Gemme aus dem Fach und drehte sie zwischen den Fingern. Der ovale, grünbeige schimmernde Stein war eine mächtige Waffe des Guten. Auf seiner Oberfläche war eine Schlange abgebildet, die sich in den Schwanz biß. Mit dieser Gemme besaß ich einen gewaltigen Schutz gegen die Diener und Sklaven des Schwarzen Todes, des Herrn der Unterwelt.
So ausgerüstet, drängte ich mich zwischen den Absperrungen durch, die von der Feuerwehr errichtet worden waren. Meine Schuhe versanken in einem Matsch aus Asche, verkohltem Gras und Regenwasser. Ich mußte aufpassen, daß ich nicht der Länge nach hinschlug.
Ich sah in jeden Winkel der übriggebliebenen Mauern und stocherte auch in dem Brandschutt herum. Ich hätte mir die Mühe sparen können. Es war nichts mehr erhalten. Ich suchte sogar vergeblich nach dem Schwarzen Altar. Der Ausbruch der dämonischen Kräfte hatte alles vernichtet.
Auch von der Satansstatue war nichts mehr zu finden. Schon wollte ich enttäuscht zu meinem Wagen zurückkehren, als ich die Kellertreppe entdeckte.
Weitere Kostenlose Bücher