0063 - Sandra und ihr zweites Ich
Zwei schwere Steinplatten waren über den Zugang gefallen, doch es blieb noch ein schmaler Spalt. Er war gerade groß genug, um mich durchzulassen.
Ich überlegte nicht lange. Wenn ich schon hier war, wollte ich auch im Keller nachsehen. Immerhin hatte dieses Haus dämonischen Kräften als Bastion gedient.
Die Gemme schob ich in die Hosentasche, um die Hände frei zu haben. Dann zwängte ich mich durch den Spalt, ertastete unter mir die Stufen und stand endlich auf der Treppe. Meine Kugelschreiberlampe mußte herhalten, damit ich den Weg in die Tiefe fand.
Am Ende der Treppe stand Wasser. Ich hätte bis zu den Knien darin waten müssen, und das war mir doch zu viel. Statt dessen leuchtete ich den Kellergang aus.
Nackte Mauern, irgendwo das Geräusch von Wassertropfen. Schon wollte ich umkehren, als ich noch einen letzten Versuch startete. Ich holte die Gemme hervor und hielt sie auf der Handfläche in den Kellergang hinein.
Plötzlich begann das Wasser zu kochen. Dicke Blasen stiegen auf und zerplatzten an der Oberfläche. Übelriechendes Gas breitete sich aus, Pech und Schwefel verpesteten die Luft.
Also doch! Magische Kräfte!
Jetzt gab es für mich kein Halten. Irgendwo hier unten versteckten sich meine erbittersten Feinde. Die Mächte des Bösen hatten wohl geglaubt, einen sicheren Unterschlupf gefunden zu haben! Ich wollte dafür sorgen, daß sie sich hier nicht allzu wohl fühlten.
Die Gnostische Gemme in der Rechten, das silberne Kreuz in der Linken, so watete ich in das Wasser hinein. Ich wartete darauf, daß es in meine Schuhe dringen und meine Hosenbeine durchnässen würde. Statt dessen wich es vor mir zurück. Trockenen Fußes drang ich tiefer in den Gang ein. Als ich mich einmal umdrehte, sah ich, wie sich hinter mir die schmutzige Brühe wieder schloß.
Die Dämonen hatten dafür gesorgt, daß sich jeder normale Mensch scheuen würde, diesen Keller zu betreten.
Mich konnten sie auf diese Weise jedoch nicht abschrecken.
Ich drang weiter vor, bis ich am Ende des Ganges eine schwere Tür erreichte. Entschlossen drückte ich die Klinke und trat in den dahinterliegenden Raum.
Ich hatte erst einen Schritt getan, als sich von zwei Seiten schauerliche Ungeheuer auf mich warfen. Ich sah blitzende Augen, aufgerissene Mäuler und klauenartig gekrümmte Finger auf mein Gesicht zurasen und schnellte mich vorwärts – genau in die Fänge meines Todfeindes.
***
Jane Collins sah keine Chance mehr, dem Dämon zu entkommen. Sie hatte noch keine Zeit gehabt, sich in ihrem Gefängnis umzusehen, und sie war unbewaffnet. Zwar kannte sie die schwache Stelle des Dämons, nämlich seine verletzte Schulter, aber sie stand mit leeren Händen vor ihrem Feind.
Wenn sie schon sterben sollte, wollte sie es wenigstens hocherhobenen Hauptes tun. Der Dämon sollte sich nicht an ihrem Entsetzen weiden können.
»Jane Collins!« Der Dämon verzog verächtlich das Gesicht. »Ich sehe dir deine Angst an. Du schlotterst, weil du die Macht der Hölle erkannt hast.«
»Ich habe immer schon gewußt, daß man Dämonen nicht unterschätzen darf«, antwortete Jane mit fester Stimme. »Aber ich habe keine Angst vor euch. Ihr seid lichtscheues Gesindel, das sich in der Dunkelheit seine Opfer sucht und ihnen keine Chance läßt!«
»Du nimmst den Mund sehr voll«, sagte der Dämon in Larry Flints Gestalt. In seinem Gesicht zuckte es. Er konnte seinen Ärger nicht ganz verbergen. »Du wirst noch ganz klein werden und mich um Gnade anwimmern!«
»Niemals!« schrie Jane dem Scheusal entgegen.
»Oh doch!« Der Dämon lachte leise. »Doch, das wirst du! Vielleicht nicht, weil du sterben mußt. Und sterben mußt du, weil ich dich töten werde, um deine Gestalt anzunehmen. Mit deinem Aussehen wird es mir möglich sein, John Sinclair so nahe zu kommen, daß ich ihn ebenfalls töten kann. Und du wirst mich anflehen, es nicht zu tun. Du hältst doch so große Stücke auf diesen Sinclair, oder?«
Bevor der Dämon den Raum betreten hatte, war eine nackte Glühlampe an der Decke aufgeflammt. In ihrem Licht sah Jane die Augen des Dämons kalt auf sich gerichtet. Sie begann zu zittern, aber sie sagte nichts. Ganz gleich, ob sie um ihr Leben oder um Schonung für John bat, der Dämon würde sie nur auslachen und trotzdem seinen Plan weiterverfolgen. Entweder konnte sie sich selbst helfen oder ihre Freunde retteten sie. Wenn nicht, war sie verloren.
»Jetzt sind dir die großen Sprüche vergangen, Jane Collins, nicht wahr?« Larry Flint nickte
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