0064 - Der Hexer von Paris
sagte: »Glauben Sie daran?«
»Ja, das Skelett war echt.«
»Niemals, da hat sich jemand einen Scherz erlaubt.«
»Nein.«
»Gut, gut, gut.« Le Brac ging um seinen Schreibtisch herum, wobei er beide Hände hob. »Sie haben Ihre Meinung, ich die meine. Aber Beweise fehlen uns. Sie steht Aussage gegen Aussage.«
»Klasse, Maurice«, antwortete ich. »Aber gleich wird Ihnen Ihr überlegenes Lächeln vergehen, denn ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen, die mir im Hilton vor ungefähr neunzig Minuten widerfahren ist.«
Ich berichtete. Le Bracs Gesicht wurde lang und länger. Er versuchte ein Lächeln, doch es mißlang.
»Und die Zwerge sind zu Asche verbrannt, Maurice. Denken Sie um, Mann. Machen Sie sich damit vertraut, daß wir es diesmal nicht mit normalen Gangstern zu tun haben, sondern mit den Mächten der Finsternis. Mit schrecklichen, alptraumhaften Gestalten aus anderen Dimensionen, die auf die Erde gekommen sind, um die Menschen zu versklaven, sie unter ihre grausame Knute zu zwingen.« Wir verließen Le Bracs Büro.
»Die Zellen liegen im Keller«, erklärte uns der französische Kollege. Er hob die Schultern. »So etwas habe ich auch noch nie erlebt. Die beiden wollten gar nicht frei sein. Sie bestanden auf Schutzhaft.«
»Sicherlich aus gutem Grund«, bemerkte Suko.
Le Brac ging darauf gar nicht ein. »Wir haben einen Psychologen bestellt, der sich das Paar einmal ansehen soll.«
»Der wird Ihnen auch nichts nutzen«, sagte ich.
Le Brac gab keine Antwort. Mein Erlebnis hatte ihn doch stutzig werden lassen.
Wir erreichten den Keller, passierten zwei Kontrollen und gelangten in den Zellentrakt.
Es roch nach Bohnerwachs und kaltem Zigarettenrauch. Von irgendwoher wehten auch Küchendünste. Der Gang gabelte sich. Wir gingen nach rechts. Links lagen die Zellen für die echten Gangster.
Die Tür war nicht verschlossen. Als wir eintraten, erhoben sich die beiden jungen Leute.
Es war ihnen anzusehen, daß sie etwas Schreckliches durchgemacht hatten.
Besonders in den Gesichtszügen des Mädchens stand das Grauen noch wie eingemeißelt. Colette wich zurück, als wir die Zelle betraten.
Le Brac machte uns bekannt. So etwas wie Hoffnung glomm in den Augen des jungen Mannes auf.
»Sie… Sie glauben uns?« fragte er.
»Ja.«
»Das ist bestimmt ein Trick«, flüsterte Colette.
»Nein, Mademoiselle, es ist kein Trick«, beruhigte ich sie. »Ich bin ebenfalls von den Zwergen angegriffen worden.«
»Und Sie leben?« fragte Roger erstaunt.
»Ja, mit Glück.«
Stühle gab es nicht, und so blieben wir stehen. Auf dem kleinen Tisch lagen einige Zeitungen. In Schutzhaft genommene Personen hatten es besser als normale Untersuchungsgefangene. Sie konnten ihre Zelle auch verlassen.
Ich bot Zigaretten an. Colette nahm ein Stäbchen, während der junge Mann den Kopf schüttelte. Dann berichtete Roger Dolain. Er erzählte von seiner Fahrt nach Paris, wie ihn der Taxifahrer in das Hotel gebracht hatte, er erzählte von der Entdeckung des Skeletts und dann von den furchtbaren Erlebnissen, die er und Colette durchgemacht hatten, als die Zwerge sie verfolgten.
Ich unterbrach ihn mit keinem Wort. Colette saugte nervös an der Zigarette. Die Luft in der Zelle war stickig und rauchgeschwängert. Ich schwitzte. Eine einsame Fliege krabbelte an der Wand hoch und flog in Richtung Deckenlampe, wo sie dann sitzenblieb.
Der Mann aus dem Elsaß hob die schmalen Schultern. »Das war es an sich, Monsieur Sinclair«, sagte er zum Abschluß. »Mehr kann ich Ihnen nicht mitteilen.«
»Haben Sie jemanden von den Zwergen erkannt?«
»Wie meinen Sie das?«
Ich lächelte. »Es waren doch sicherlich nicht nur Männer unter den Verfolgern – oder?«
»Nein, auch Frauen.«
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie Suko zusammenzuckte. Seine Lippen bildeten nur einen Strich. Unter seiner Nase schimmerte ein Schweißfilm.
»Haben Sie etwas Besonderes an diesen Frauen festgestellt?« Vorsichtig näherte ich mich dem eigentlichen Thema.
Doch Suko spielte nicht mit.
***
»Frag ihn doch gleich, ob eine Chinesin dabei war?« platzte er heraus.
Roger Dolain wandte sich an meinen Freund. »Ja, eine Chinesin habe ich gesehen.«
Suko zuckte zusammen. Er verkrampfte sich, als hätte er furchtbare Schmerzen. In diesen schrecklichen Augenblicken tat er mir ungeheuer leid.
Auch Roger merkte, was los war. »Habe ich etwas Falsches gesagt?« fragte er.
»Nein, nein«, erwiderte ich rasch.
Suko atmete tief durch. »Nun ja«, sagte
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