0064 - Der Hexer von Paris
er, »daran ist ja wohl nichts mehr zu ändern.«
Colette schaltete schnell. »Hat diese Chinesin etwas mit Ihnen zu tun?«
Ich gab an Sukos Stelle die Antwort. »Ja, sie ist seine Freundin.«
»O Gott«, flüsterte das Mädchen.
Le Brac schaute betreten zu Boden. Selbst er wußte nicht, was er sagen sollte. Roger glaubte, Suko trösten zu müssen. Er meinte: »Sie hat uns aber nichts getan.«
Der Chinese nickte. »Schon gut«, sagte er rauh.
Ich wechselte das Thema. »Was haben Sie jetzt vor?« wandte ich mich an Roger Dolain.
Der junge Mann schaute Colette an. »Tu, was du für richtig hältst, Roger!«
»Dann bleiben wir hier.«
Le Brac räusperte sich. »Was meinen Sie dazu, Monsieur Sinclair?«
»Ich wäre dafür.«
»Bien, belassen wir es dabei.« Der Inspektor war zufrieden, aber auch überzeugt davon, daß wir recht hatten.
Wir verabschiedeten uns von dem jungen Paar und fuhren hoch in Le Bracs Büro.
Dort bestellte der Inspektor erst einmal einen Kaffee. Seine Sekretärin brachte eine volle Kanne. Der Kaffee war heiß wie die Hölle. Außerdem blieb der Löffel fast stecken.
Wir tranken das bittere Gesöff.
»Und wir gehen in den Louvre«, lächelte Inspektor Le Brac.
»Wieso wir?«
»Ich gehe mit.«
»Es ist zu gefährlich«, warnte ich den französischen Kollegen.
»Nichts da.« Le Brac schüttelte den Kopf. »Jetzt habe ich einmal Blut geleckt. Und daran sind Sie schuld. Deshalb werden Sie auch die Folgen tragen, John.«
Ich hob die Schultern und erwiderte nur: »Bedenken Sie das Risiko, Maurice.«
***
Caroline Potter schrie!
Sie war mitten aus dem Schlaf gerissen worden, fuhr schweißüberströmt hoch und blieb aufrecht in ihrem Bett sitzen.
Der Mond schien durch das kleine Fenster und tauchte das Zimmer in ein seltsam fahles, geisterhaft wirkendes Licht.
Alles war ruhig – nichts hatte sich verändert, und doch war Caroline wach geworden.
Sie schaute sich furchtsam um.
Die Ecken des Raumes waren kaum einzusehen. Dort nistete die Dunkelheit mit ihren tiefen Schatten. Draußen vor dem Fenster fuhr der Nachtwind rauschend durch die dicht belaubten Kronen der Bäume. Dieses Geräusch war eine ewige nächtliche Begleitmusik, und Caroline hatte sich daran schon gewöhnt.
Das also hatte sie nicht geweckt?
Was dann?
Ihr Herz schlug schneller, das Blut rauschte durch die Adern. Sie atmete schwer, und als sie sich bewegte, stellte sie fest, daß das einfache Krankenhausnachthemd an ihrem Körper klebte. So sehr geschwitzt hatte sie.
Bewegungslos blieb das Kind sitzen.
Caroline dachte nach. Plötzlich wußte sie wieder alles. Sie hatte Bilder gesehen. Schreckliche Bilder. Unbeschreibliches Grauen ging davon aus.
Sie sah ein riesiges Skelett und daneben Belphegor, den Dämon mit den kalten Augen.
Aber das war nicht alles.
Zwei Männer befanden sich in der Gewalt des Dämon. Ein dritter lag wie tot am Boden. Die Männer wurden von Zwergen umtanzt, und Caroline hatte schon beide gesehen.
Der blonde war John Sinclair. Der andere war sein Freund, der Chinese.
Was mit ihnen geschah, wußte sie nicht. Denn plötzlich war das Bild wieder verschwunden.
Aber sie wußte eins: John Sinclair befand sich in höchster Gefahr. Und seine Gefährten ebenfalls.
Caroline wollte und mußte helfen.
Aber wie?
Raus kam sie aus dieser Klinik nicht. Auch aus dem Zimmer nicht, denn es war abgeschlossen. Blieb nur noch die Klingel. Sie drehte den Kopf, und ihre Blicke streiften den Knopf. Sollte sie es wagen, obwohl Rita nicht im Haus war? Mit Rita Tushing verstand sie sich am besten. Die Nachtschwester konnte sie nicht leiden. Sarah war ein regelrechter Krankenhausdrachen.
Aber John Sinclair und sein Gefährte mußten gewarnt werden. Die Frage war – wie?
Über Jane Collins lief das am besten. Doch dazu mußte Caroline erst telefonieren. Zellen gab es mehrere in diesem Bau. Allerdings konnte sie nicht einfach aufstehen, hingehen und telefonieren. Caroline mußte sich schon etwas einfallen lassen.
Sie war zwar erst neun Jahre, aber ein sehr aufgewecktes und lebhaftes Mädchen. Zusätzlich eine der Besten in ihrer Klasse. Sie hatte Fantasie und Ideen.
Beides brachte sie ins Spiel.
Caroline schwang ihre Beine aus dem Bett und tappte mit nackten Füßen auf den eingebauten schmalen Wandschrank zu, in dem ihre Kleidung hing.
Das Mädchen öffnete die Tür und hob die Klappe einer kleinen Tasche hoch, die wiederum an der linken Seite des Kleides angenäht war. Dort verwahrte Caroline immer etwas
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