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0068 - Wir holten sie vom Schiff

0068 - Wir holten sie vom Schiff

Titel: 0068 - Wir holten sie vom Schiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wir holten sie vom Schiff
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Wert nur ein genauer Kenner hätte schätzen können. Linker Hand stand alle fünf Schritte eine Glasvitrine, in der jeweils ein einzelnes Schmuckstück lag. Auf violettem, rotem, grünem und blauem Samt präsentierten sich uns unvorstellbare Werte. Ein Diadem funkelte wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Uns blieb im wahrsten Sinne des Wortes manchmal der Atem weg, wenn wir wieder vor einem neuen Prunkstück standen. Der Chinese schien es nicht anders zu erwarten, denn er blieb an jeder Vitrine von selbst stehen, bis wir uns sattgesehen hatten.
    ***
    Wir kamen insgesamt an sieben solcher Kostbarkeiten vorüber, dann zog der Chinese wieder eine Portiere auseinander, und wir sahen in einen Raum, der wie ein fürstliches Kabinett eingerichtet war. Zierliche Barockmöbel, glänzend vergoldet, in den Wänden eingelassene Spiegel, Kristallarmleuchter, goldene Spieluhren und eine Empire-Liege bildeten die sündhaft teure Einrichtung.
    Vor einem mit Gold- und Silberplättchen ausgelegten Sekretär saß ein etwa fünfundvierzigjähriger Mann, der mit einer Gänsekielfeder auf einem Papier herumkratzte.
    Als wir eintraten, steckte er die Feder in ein goldenes Tintenfass und streute feinen Sand über die Schrift auf dem Papier. Nachdem er den Sand in ein zierliches Kästchen hatte abrieseln lassen, legte er das Blatt beiseite, stand auf, kam uns ein paar Schritte entgegen und verbeugte sich leicht.
    »Mein Name ist O’Heaver. Mit wem habe ich die Ehre?«
    Ich nannte meinen Namen. Phil tat es ebenfalls, wobei in seinen Augen ein ironisches Lächeln funkelte. Wir hatten schon mit mehr originellen Käuzen zu tun gehabt, als dass uns noch einer sonderlich überraschen könnte.
    »Darf ich bitten, hier Platz zu nehmen, meine Herren«, sagte O’Heaver und deutete auf zwei der zierlichen Stühle.
    Wir taten es sehr vorsichtig, aber unsere Angst war überflüssig. Die Dinger waren viel stabiler, als sie aussahen.
    »Was führt Sie zu mir, Mr. Cotton, Mr. Decker?«
    Ich klappte meinen Dienstausweis auf und sagte nur drei Buchstaben: »FBI.«
    O’Heaver stutzte. Wenn er sich nicht so vorzüglich in der Gewalt gehabt hätte, wäre der Ausdruck berechtigt gewesen: Er erschrak.
    Aber das kurze Zusammenzucken, das sich vor allem in seinen Pupillen zeigte, wurde blitzschnell von den Lidern verborgen, die er augenblicklich halb schloss. Die Handbewegung, mit der er ein reich verziertes, goldenes Zigarettenetui auf klappte, war zu gewollt ruhig, als dass es die normale Ruhe hätte sein können. Er bot uns Zigaretten an, weil er einen Augenblick Zeit haben wollte, um sich von seiner Überraschung erholen zu können.
    Wir lehnten die Zigaretten dankend ab, und ich schoss ihm meine erste Frage entgegen wie eine Pistolenkugel.
    »Wo ist Berty Johnson?«
    Er riss ruckartig den gesenkten Kopf hoch: »Wer? - Eh - von wem sprechen Sie?«
    Ich wiederholte hart und schnell.
    »Berty Johnson, zweiundzwanzig Jahre alt, gebürtig in Lewistown, Montana!«
    Er war noch so verwirrt, dass er es mit dem billigsten Trick versuchte, den er überhaupt anwenden konnte: Er stritt ihre Bekanntschaft ab.
    »Johnson?«, murmelte er mit der gekünstelten Nachdenklichkeit des Lügners. »Johnson? Ich weiß nicht… ich kann mich im Augenblick nicht erinnern…«
    Ich machte mit der flachen Hand eine scharfe Geste durch die Luft.
    »Spielen Sie nicht den Ahnungslosen! Wir sind über Ihr Verhältnis mit Berty Johnson eingehend unterrichtet worden! Also, wo ist sie?«
    Er sah ein, dass er uns nichts vormachen konnte, und rieb sich verlegen die Hände. Mit einem tastenden Blick sagte er: »Ich weiß, dass man dem FBI kaum etwas verheimlichen kann. Entschuldigen Sie, dass ich es überhaupt versucht habe. Wissen Sie, meine Ehe ist sehr zerrüttet und da…«
    Ich unterbrach ihn.
    »Sie sind uns keine Rechenschaft über Ihre Moral schuldig, Mr. O’Heaver. Was uns interessiert, ist einzig und allein die Beantwortung der Frage: Wo ist Berty Johnson?«
    »Ich weiß es nicht! Das ist ja das Verrückte an der ganzen Geschichte mit Berty! Ich darf wohl sagen, dass wir uns sehr gut verstanden haben. Aber plötzlich, ich glaube, es war ein Freitag, war sie verschwunden, ausgezogen, ohne Nachricht zu hinterlassen, ohne alles. Ich hielt bei ihrer Mannequin-Schule Rückfrage, aber auch dort wusste man nichts.«
    »Was für eine Mannequin-Schule?«, erkundigte ich mich.
    »B. B. Bals, ein verhältnismäßig junges Unternehmen in der 38. Straße. Berty war mit ihrer Freundin, mit

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