007 - Die Nacht mit dem Teufel
keine Ruhe. Dabei war er ziemlich sicher, dass er sich grundlos sorgte. Schließlich zeigte der Wecker auf dem Ankleidetisch bereits auf vier Uhr. Die Nacht war also fast vorbei, und es war nichts geschehen.
Aber die Vorsicht siegte. Er stieg aus dem Bett und schlüpfte in seinen Morgenrock, verärgert, dass er sich mit seinem Gehorsam zum Narren machte. Im Wohnzimmer musste er erst Licht machen, um den Stab zu suchen. Er lag vor der geschlossenen Tür. Wo sollte er überhaupt liegen? überlegte er. Vielleicht vor der Tür?
Er stieß die Tür auf und wäre beinahe über das winzige graue Kätzchen gestolpert, das zusammengekauert auf der Schwelle saß. Es war nass und zitterte vor Angst und Kälte. Als es Line sah, riss es die Augen und das Schnäuzchen weit auf und miaute kläglich/um ihm zu verstehen zu geben, dass es obendrein auch noch Hunger hatte.
„Nun, du kleine Missgestalt …“, er beugte sich lächelnd über das Tier, „… bist du der Ersatz für die grässlichen Ungeheuer, vor denen man mich gewarnt hat? Na, komm schon!“
Er packte das kleine Fellbündel und drückte es ans Gesicht. Das Tier schnurrte so heftig, dass sein kleiner Körper bebte. Dann miaute es erneut.
„Gewonnen“, sagte Line und ging ins Zimmer zurück. „Vielleicht finden wir etwas Essbares für dich.“
Kaum hatte er jedoch die Schwelle überschritten, da war das Kätzchen kein verängstigtes süßes kleines Wollknäuel mehr. Es befreite sich fauchend aus Lines Zugriff und sprang ihm an den Hals. Und ehe er noch wusste, wie ihm geschah, hatte ihm das Tier zwei Reihen messerscharfer Zähne in die Kehle gegraben.
„Verflucht!“ brüllte Line und schleuderte das Tier in die Ecke.
Es landete auf allen vieren, kugelte durchs Zimmer und blieb abwartend vor dem Sofa stehen.
„Du kleiner Teufel!“ zischte Line und presste die Hand auf die Bisswunde an seinem Hals.
Sie war nicht tief, blutete aber stark.
Wütend wollte er ins Bad, aber die Tür zum Bad war plötzlich furchtbar weit weg. Das konnte doch nicht mit rechten Dingen zugehen! Er ging und ging, doch er kam seinem Ziel nicht näher. Es war, als würde er dauernd auf demselben Fleck treten. Und plötzlich merkte er, dass er ja gar nicht ging, sondern schwebte, genau wie im Traum. Oder trieb er im Wasser? Es zog ihn nach unten, und der Fußboden schaukelte ihm entgegen.
Nochmals träumte er von Bonita Devlon. Sie beugte sich über ihn und lächelte boshaft auf ihn herab. Er wollte zurücklächeln, aber sein Hals schmerzte zu stark.
„Kätzchen“, sagte er, oder glaubte er zu sagen.
Dann schlug die Finsternis über ihm zusammen.
Sein Hals schmerzte immer noch, als er erwachte, und sein Schädel brummte. Er blieb bäuchlings auf dem Fußboden liegen und wartete, dass sich das Klingeln in seinen Ohren legte. Erst nach langer Zeit begriff er, dass es die Türglocke war, die da schrillte.
Torkelnd stand er auf, zog seinen Morgenmantel zu und öffnete die Tür.
Mrs. Atwater, die unter ihm wohnte, stand vor ihm.
„Ist etwas passiert?“ fragte sie und schielte neugierig über Lines Schulter ins Zimmer. „Ich bin von dem Krach aufgewacht. Es hörte sich so an, als sei jemand gestürzt.“
Er rang sich ein müdes Lächeln ab.
„Das war bloß die Katze“, sagte er. „Sie hat die Lampe umgestoßen. Hat mich auch aus dem Schlummer geschreckt.“
Die Frau musterte Line misstrauisch. „Ich wusste gar nicht, dass Sie eine Katze haben.“
„Eigentlich ist es nur ein kleines Kätzchen“, erklärte er rasch.
Er sah sich suchend nach dem Tier um, aber es war nirgends mehr zu sehen. Dann fiel ihm sein Hals und die Bisswunde ein und dass er unmittelbar nach dem Biss das Bewusstsein verloren hatte. Instinktiv verdeckte er die Wunde mit der Hand. Der Anblick des Blutes hätte Mrs. Atwater wahrscheinlich noch neugieriger gemacht.
„Entschuldigen Sie die Störung“, murmelte er verlegen und schloss eiligst die Tür, bevor sie ihm weitere Fragen stellen konnte.
Sein Herz schlug wie wild. Er lief ins Schlafzimmer.
Andy war natürlich verschwunden; das Kätzchen ebenfalls.
Line ließ sich auf die Bettkante fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. Vergebens versuchte er, sich zu beruhigen. Er hatte versagt. Sie hatten Andy zurückgeholt, und er allein war schuld daran. Warum war er nur so leichtsinnig gewesen, die Weisungen des Professors zu missachten!
Es war ihm furchtbar peinlich, jetzt den Professor anzurufen, aber natürlich blieb ihm nichts anderes
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