0071 - Knochensaat
Es sah alles so sauber aus. Keine Industrie, die die Luft verpestete, und auch die Häuser in den Orten wirkten sehr gepflegt. Das war eben die deutsche Gründlichkeit. Nicht schlecht, diese Art zu leben.
Die ersten Vororte von Regensburg tauchten auf. Daß es eine Stadt mit Geschichte war, sah ich vom Zugfenster aus. Das Schloß und zahlreiche andere Bauten luden direkt zu einem Besuch ein. Nur hatte ich keine Zeit.
Dann fuhr der Zug in den Bahnhof. Er verlor noch mehr an Geschwindigkeit und stand.
Ich hatte mich bereits erhoben und holte die beiden Koffer aus dem Gepäcknetz.
Einer war schmaler. Darin bewahrte ich meine Waffen auf, die für eine erfolgreiche Dämonenbekämpfung unerläßlich waren.
Mein Reisebegleiter war inzwischen eingeschlafen. Die Zeitung lag auf dem Boden. Ich stieg darüber hinweg und öffnete die Abteiltür. Viele Fahrgäste stiegen hier in Regensburg aus.
Mich überholten noch zwei Kinder mit Rucksäcken. Sie sprangen auf den Bahnsteig und rannten rufend auf eine ältere Frau zu, die sie in ihre Arme schloß. Ich aber suchte Kommissar Mallmann. Er stand an einem Kiosk und winkte mit beiden Händen. Ich grüßte zurück. Dann liefen wir aufeinander zu. Jetzt sah ich Mallmanns Begleiterin.
Eine schwarzhaarige Frau, die ich nicht kannte. Aber zuerst begrüßten wir uns.
Will schlug mir auf die Schulter. Seine dunklen Augen blitzten vor Freude. »Ich finde es riesig, daß du so rasch gekommen bist, John«, sagte er.
»Wenn du rufst, immer.«
»Nun mach’s halblang.« Will drehte sich und deutete auf die schwarzhaarige Frau. »Darf ich dir Fräulein Becker vorstellen, John?«
Und zu Karin gewandt sagte er: »Das ist John Sinclair, von dem ich dir soviel erzählt habe.«
»Hoffentlich nur Gutes«, lachte ich.
»Natürlich«, erwiderte die Frau. Sie hatte einen kräftigen Händedruck, was mir gefiel. Überhaupt machte Karin Becker einen sehr sympathischen Eindruck, und ich fragte mich, wie der gute Will wohl an diese Bekanntschaft gekommen war. Außerdem hatte er sich verändert. Will Mallmann wirkte irgendwie fröhlicher, aufgeschlossener. Er lachte viel, seine Augen strahlten, und er hatte Spaß am Leben. Ich konnte mir einfach nicht helfen, aber dahinter steckte sicherlich Karin Becker. Ob sich der gute Will verknallt hatte? Ich beschloß, ihn bei der nächstbesten Gelegenheit danach zu fragen.
Sein Manta parkte vor dem Bahnhof. Karin Becker stieg hinten ein – trotz meines Protests –, und ich nahm neben dem Kommissar Platz.
»Wie lange dauert die Fahrt?« fragte ich.
Will hob die Schultern und drehte den Zündschlüssel. »Etwa eineinhalb Stunden.«
»Dann sind wir am späten Nachmittag da.« Der Kommissar nickte.
Nachdem Regensburg hinter uns lag, begann Will Mallmann zu erzählen. Sehr detailliert gab er die Ereignisse wider. Ich hörte genau zu und stellte hinterher meine Fragen. Das Beinhaus erschien mir am interessantesten zu sein.
»Wie ist es, Will? Hast du diesen Geist nicht versucht zu beschwören?« fragte ich.
»Nein, womit?«
Das stimmte auch wieder. Will Mallmann hatte ja keine Hilfsmittel bei sich.
»Und du nimmst an, daß dieser Albertus Krogmann oder vielmehr dessen Geist noch in diesem Gewölbe herumspukt.«
»Ja, davon bin ich überzeugt.«
»Darf ich einmal etwas sagen«, meldete sich Karin Becker vom Rücksitz her.
»Bitte.« Will lachte.
»Ihr tut gerade so, als wären Geister etwas völlig Normales. Gibt es sie denn überhaupt?«
»Und wie«, erwiderte ich. »Nicht nur Geister, sondern ganze Heerscharen von Dämonen, die sich in Parallelwelten versammelt haben und einen Angriff auf unsere Erde vorbereiten.«
»Aber das ist doch Utopie.«
Will antwortete. »Das habe ich früher auch gedacht, bis ich durch John eines Besseren belehrt wurde. Leider«, fügte er hinzu.
Ich drehte mich halb um und sah, wie Karin Becker den Kopf schüttelte. »Das kann ich einfach nicht glauben. Dämonenreiche, Parallelwelten, das gehört doch in die Fabel, das ist Sciencefiction.«
»Leider auch Wirklichkeit«, gab ich zu.
»Da müssen Sie mir aber andere Beweise liefern, um mich zu überzeugen«, sagte die Lehrerin.
Ich winkte ab. »Wünschen Sie sich das nicht, Fräulein Becker.«
»Sagen Sie ruhig Karin.«
»Okay, ich heiße John.«
Die Gegend wurde waldreicher. Zu beiden Seiten der Straße sah ich sanfte, bewaldete Hügel, die wie grüne Wellen über dem Erdboden standen. Der Himmel war fast wolkenlos und hatte die Farbe eines matten Blaus. Wie ein
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