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0073 - Gegen eine ganze Stadt

0073 - Gegen eine ganze Stadt

Titel: 0073 - Gegen eine ganze Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gegen eine ganze Stadt
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und hinter den Häusern.
    »Die zweitnächste Brücke müsste über die Bahnlinie führen«, sagte Phil.
    Ich ließ die Geschwindigkeit des Wagens weiter absinken, damit ich ihn auf kurzer Strecke zum Halten bringen konnte.
    Es gab hier viele Kurven, die wegen der Büsche und Baumgruppen rechts und links der Straße nicht zu überblicken waren.
    Wir bogen gerade um eine sehr enge Kurve, als vor uns die von Phil bezeichnete Brücke auftauchte. Ich nahm den Fuß vom Gaspedal und ließ den Wagen langsam ausrollen.
    Irgendwo in der Nähe war das näherkommende Stampfen einer Lokomotive zu hören, aber die Bahnlinie selbst lag noch außerhalb unseres Blickfeldes.
    Mitten auf der Brücke hielten wir an. Wir stiegen aus und gingen zum Geländer.
    Ungefähr zwanzig Fuß unter uns zog das doppelspurige Band der Geleise nach Norden.
    »Dort sind sie!«, rief Phil.
    Tatsächlich standen ein paar Jungen von ungefähr achtzehn, neunzehn Jahren dreißig bis vierzig Yards oberhalb der Brücke am Bahndamm.
    Sie starrten alle in eine Richtung.
    Wir folgten ihrem Blick.
    Das Blut stockte uns in den Adern. Mitten auf ciem Schienenstrang lag ein anderer Junge. Der Nacken lag auf der einen Schiene, die Beine auf der anderen.
    Soweit wir es erkennen konnten, war er nicht gefesselt.
    Das Stampfen der näherkommenden Lokomotive, die hinter einer gewundenen Böschung noch verborgen war, wurde lauter. Ihr gellender Warnpfiff hallte laut durch die sommerliche Stille.
    Der Zug war viel zu nah.
    Wir konnten überhaupt nichts tun. Wir brüllten, was unsere Kehlen an Lautstärke nur hergeben wollten, aber die Jungen achteten überhaupt nicht auf uns.
    Jetzt bog jemand um die Böschung. Er kam auf einem schmalen Fußweg entlang, der rechts neben der Eisenbahnlinie entlangführte.
    Es war ein junger Farbiger. Er hatte ein geschnürtes Bündel über der Schulter hängen. Jeden Augenblick musste der Zug hinter ihm um die Kurve kommen.
    Mit einem Blick übersah er die Situation. Vielleicht alarmierte ihn auch unser Gebrüll. Jedenfalls warf er mit einem einzigen Ruck sein Bündel in das Buschwerk am Rande des Weges. Dann spurtete er.
    Seine Beine flogen nur so.
    Wir wagten kaum zu atmen. Da!
    Jetzt schnaufte die Lokomotive wie ein mächtiges Untier um die Kurve.
    Der Neger war noch gut zehn Yards von dem Jungen entfernt, der auf den Schienen lag.
    Jetzt stolperte er, fing sich, hetzte weiter.
    Ich biss mir in die Lippen, dass mir Blut übers Kinn lief. Aber das merkte ich erst später.
    Jetzt hatte der Neger den Jungen erreicht.
    Mit einem Satz sprang er mitten zwischen die Geleise, riss den Jungen hoch und warf ihn mit einem gewaltigen Schwung von den Schienen herab und hinein in das dichte Gebüsch neben dem Fußweg.
    Im gleichen Augenblick war die Lokomotive heran.
    Ich glaube, wir haben geschrien. Vor Entsetzen, das uns das Blut in den Adern stocken ließ.
    Die Lokomotive wuchs hinter dem breitbeinig zwischen den Schienen stehenden Neger empor, im Bruchteil einer Sekunde sah es aus, als wollte sie den Neger auf ihre Puffer nehmen, dann war alles vorbei…
    Wir wandten uns um. Ich schluckte.
    Es dauerte eine Weile, bis wir imstande waren, uns zu rühren.
    »Komm«, krächzte ich mit einer Stimme, die mir selbst fremd klang.
    Wir suchten einen Abstieg neben der Brücke und kletterten die steile Böschung hinab. Dann liefen wir den Fußweg entlang.
    Der Neger lag mitten zwischen den Geleisen. Ihm konnte keiner mehr helfen.
    Ich schob mir eine Zigarette zwischen die Lippen. Dass ich vergaß, sie anzuzünden, wurde mir ebenfalls erst viel später bewusst.
    Von den drei Jungen, die neben der Bahn gestanden hatten, war kein einziger mehr zu sehen.
    Sie hatten die Flucht ergriffen.
    Wir sahen uns um. Zwischen den Büschen ragten die Hosenbeine des Jungen heraus, der auf den Schienen gelegen hatte.
    Mühsam zerrten wir ihn heraus. Sein Gesicht hatte eine gelblich-grüne Farbe.
    Als wir ihn auf die Beine stellten, würgte es in seiner Kehle.
    Wenig später drehte er sich um und übergab sich. Gleich darauf sah ich, dass ihm die Knie weich wurden.
    Im letzten Augenblick fing ich ihn noch auf. Wir legten ihn vorsichtig auf den Fußweg.
    Dann trugen wir den Neger vom Bahndamm. Während ich ihn hielt, zog ihm Phil die Jacke aus.
    Wir schoben ihn in die Büsche und deckten seine Jacke über sein Gesicht.
    Es hatte nichts von Schreck im Ausdruck. Eher schien es uns ein sieghaftes Lächeln anzudeuten. Vielleicht war der letzte Eindruck festgefroren, als er sah,

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