0075 - Das tödliche Tagebuch
Der Wirt schaute Nicole an und fragte, während er auf Zamorra wies: »Ist er ein Bulle?«
»Er ist Professor für Parapsychologie«, antwortete Nicole.
»Hören Sie, wenn Sie mich auf den Arm nehmen wollen…!« brauste der Wirt auf.
»Ich habe nicht die Absicht«, lächelte Nicole. »Obwohl ich es schaffen könnte. Sie sind nicht besonders schwer.«
Der Wirt warf Zamorra einen unruhigen Blick zu. »Sie sind doch hoffentlich nicht hierher gekommen, um Flip Schwierigkeiten zu machen, oder?«
Zamorra ging darauf nicht ein. Er fragte glashart: »Wo ist Flip?«
»Im Hinterzimmer. Er spielt Karten. Er haßt es, wenn man ihn dabei stört.«
»Ich bin mit ihm in ein paar Minuten fertig.« Zamorra leerte sein Glas. Nicole tat dasselbe. Dann ging sie mit ihrem Chef zum Hinterzimmer. Es war nicht zu verfehlen. Vier Mann saßen um einen großen runden Tisch. Eine Kegellampe erhellte den Raum, in dem es kein Fenster gab. Zamorra und Nicole hatten Glück. Die Spieler legten gerade eine kurze Pause ein.
Flip Myers war ein kraftstrotzender Bursche, der schwerste Arbeit hätte verrichten können. Er mußte indianisches Blut in seinen Adern haben. Seine Haut war dunkel. Seine Augen ebenfalls. Und das Haar, war rabenschwarz. Er trug ein Stirnband aus geflochtenem Leder. Sein Blick fiel auf Nicole Duval. Er zog sie ungeniert mit den Augen aus. Ein freches Grinsen lag um seine Lippen. Nicole wurde verlegen. Darüber freute sich Flip Myers. Es machte ihm Spaß, Frauen auf diese Art anzusehen. Wenn Sie anständig waren, wurden sie rot. Wenn sie verdorben waren, dann machte es ihnen nichts aus, und mit solchen Mädchen machte er manchmal ein Bombengeschäft.
Zamorra ignorierte den widerlichen Blick des Zuhälters. Er fragte den Jungen, ob er mit ihm sprechen könne, und Flip Myers stellte sich ihm im Korridor, der zu den Toiletten führte, zur Verfügung.
Von Captain Vicker wußten Nicole Duval und Zamorra, daß die beiden ersten Opfer des Mädchenkillers keine Straßenmädchen gewesen waren.
»Es geht um den Mord an Ethel Ambros«, sagte Professor Zamorra zu dem Zuhälter.
»Das dachte ich mir«, erwiderte dieser.
»Sie haben von dem Geld gelebt, das sie mit Männerbekanntschaften verdient hat«, behauptete Zamorra.
Myers hob sofort beide Hände, als müsse er etwas Großes abwehren. »Moment, Moment, mein Lieber. Sie haben doch nicht etwa die Absicht, mich durch die Blume einen Zuhälter zu nennen!«
»Als was würden Sie sich bezeichnen?« fragte Zamorra ernst.
»Ich war Ethels Freund«, sagte Flip Myers grinsend. »Ich war ihr Verlobter. Sie können fragen, wen Sie wollen. Jeder wird Ihnen das bestätigen.«
»Ethel war ein Straßenmädchen!«
»Das ist mir neu«, behauptete Myers. Er bleckte die Zähne und stieß Zamorra seinen Zeigefinger gegen die Rippen. »Mann, wie kommen Sie dazu, so schlecht über meine Verlobte zu reden? Sie hat Ihnen bestimmt nichts getan. Ethel war zu allen Leuten nett.«
»Ja. Das ist richtig. Sie war nett zu allen Männern. Und zwar für Geld.«
Myers schüttelte verdrossen den Kopf. »Ich weiß nicht, was Sie wollen, Mann. Ethel war ein hübsches Ding. Die Männer waren alle verrückt nach ihr. Wenn einer sie haben wollte, und sie hat es ihm gewährt, dann war das doch wohl ihre Sache, oder?«
Zamorra fragte spöttisch. »Und Ihnen, der mit Ethel verlobt war, war das recht?«
»Schon mal was von freizügiger Liebe gehört? Wir führten so was wie 'ne moderne Ehe ohne Trauschein. Ich kann daran nichts Schlechtes finden. Ethel hatte ihre Freiheit. Ich hatte die meine. Wir fanden das wunderbar. Ich find's nur schäbig, daß Sie jetzt behaupten, mein Mädchen wäre 'ne Nutte gewesen. Das war sie nämlich nicht. Ethel war ein ebenso anständiges Mädchen wie die da!« Flip Myers wies auf Nicole Duval.
Zamorras Blut geriet in Wallung. Er war nahe daran, dem Kerl für diese unverschämte Bemerkung eine Ohrfeige zu geben. Es kostete dem Professor einige Mühe sich zu beherrschen. Nicoles Miene wirkte verschlossen. Alles, was Myers sagte, prallte von nun ab an ihr wirkungslos ab. Das war die einzig richtige Einstellung, mit der man einem Burschen wie diesem begegnen konnte.
»Ich will mit Ihnen hier nicht diskutieren, Myers!« sagte Zamorra ärgerlich. »Was Ethel war, ist nicht so wichtig. Was sie jetzt ist, hat mehr Gewicht: sie ist tot.«
Myers verzog grimmig das Gesicht. »Ja. Verdammt.«
»Sie wird keinen müden Dollar mehr für Sie verdienen.«
»Das ist doch wohl mein Problem,
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