0075 - Das tödliche Tagebuch
fertigbringen, was nicht einmal die Polizei zustande bringt?«
»Ich maße mir durchaus nicht an, daß ich's allein schaffen kann«, erwiderte Bill.
»Na schön«, seufzte Gordon Sands. Er warf einen Blick auf seine Uhr. Er wollte nicht unhöflich sein, aber er hatte auch nicht die Absicht, sich von Bill Fleming noch lange aufhalten zu lassen. »Und wie kann ich Ihnen Ihrer Meinung nach helfen?«
»Haben Sie die drei toten Mädchen gesehen?«
»Natürlich. Ich war an allein drei Tatorten.«
»Sie haben grauenvoll ausgesehen, nicht wahr?«
»Das ist richtig.«
»Einer Ihrer Kollegen schreibt, daß diese Morde von einem Dämon, von einem Monster begangen wurden«, sagte Bill. »Was halten Sie davon, Mr. Sands?«
Scarlett drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus. Nun trommelte sie wieder mit den Fingern auf das Lenkrad. Für einen Einkaufsbummel hatte Gordon keine Zeit. Aber er hatte sehr wohl Zeit, sich mit diesem Mann zu unterhalten.
Gordon Sands lächelte überheblich. »Dämonen. Monster. Ich bitte Sie, Mr. Fleming. Die Konkurrenz schreibt manchmal das verrückteste Zeug. Ich halte das für einen blanken Unsinn. Es gibt keine Dämonen. Diese drei armen Mädchen wurden nicht von einem Monster gekillt. Es war ein Verrückter. Einer, der nicht ganz richtig im Kopf ist, verstehen Sie? Wir haben es hier mit einem Wahnsinnigen zu tun. Das ist meine ganz persönliche Meinung zu diesem Thema. Alles andere ist Käse.«
Scarlett startete den Motor.
»Sie müssen mich jetzt entschuldigen, Mr. Fleming«, sagte Sands und zuckte die Achseln. »Ich habe es eilig. Aber wenn Sie noch irgendwelche Fragen an mich haben… Ich stehe Ihnen morgen gern in meinem Büro zur Verfügung. Da können wir uns dann ausführlich über diesen gefährlichen Killer unterhalten. Einverstanden?«
Bill nickte. »Okay. Ich werde kommen.«
***
Um halb fünf begann es zu dämmern. In den Geschäftsstraßen flammte die weihnachtliche Beleuchtung auf. Die Autos fuhren mit eingeschalteten Lichtern. In den Auslagen strahlten grelle Lampen. Neonreklamen taten ein übriges, um die Dunkelheit zu verbannen. In manchen Straßen war es beinahe taghell.
Jedoch nicht in allen.
Geduckt schlich ein Mann durch die dunklen Schluchten. Sein Gesicht war verzerrt. In den Augen glänzte eine abgrundtiefe Bosheit. Er fletschte die Zähne und stieß ein dämonisches Lachen aus. Speichel tropfte von seinen Lippen. Er war häßlich, hatte eine dicke Knollennase, Hängebacken und einen wulstigen Mund, vor dem sich alle Mädchen, die er zu küssen versucht hatte, ekelten. Keuchend rannte er durch Jackson Heights. Er suchte eine Frau. Eine, der er Böses antun konnte. Eine, die er quälen konnte. Eine, die für alles das büßen sollte, was ihm andere Frauen angetan hatten.
An der nächsten Ecke blieb der Mann kurz stehen. Er schaute sich um.
Plötzlich hörte er trippelnde Schritte. Da kam jemand. Blitzschnell zog sich der Mann unter einen düsteren Torbogen zurück. Mit angespannten Muskeln wartete er auf den Moment, wo er aus der Dunkelheit herausschnellen und über die Frau herfallen würde.
Nervös leckte sich der Mann die Lippen. Siedendheiß brodelte sein Blut durch die Adern.
Ein immer heftiger werdendes Brausen erfüllte seinen Kopf. Er war kaum noch fähig, zu denken. Die trippelnden Schritte wurden lauter, klapperten heran.
Der Mann keuchte schwer. Gleich. Gleich. Nur noch wenige Sekunden. Dann würde es passieren. Sein Herz machte wilde Sprünge in der Brust. Gleich war es soweit.
Auf einmal sagte die Frau etwas. Eine männliche Stimme antwortete ihr. Enttäuschung breitete sich auf dem Gesicht des Unholds aus. Das auserkorene Opfer war nicht allein, war in Begleitung eines Mannes. Der Unbekannte wollte seine Wut darüber laut herausbrüllen. Zornig biß er sich in die Lippen. Und er preßte sich eng in die dunkle Nische hinein, um von den beiden nicht entdeckt zu werden. Sie kamen an ihm vorbei. Eine vierundzwanzigjährige Frau und ein Mann, der sie um einen Kopf überragte.
Da ging das Opfer. Die Wut würgte den Attentäter.
Da ging sie, und er konnte ihr nichts tun, weil sie nicht allein war.
***
Zwei Straßen weiter hatte der Unhold dann aber doch Glück. Vor ihm ging eine Frau um die dreißig. Ihr war kalt, denn sie war nicht warm genug angezogen. Sie hatte den Kragen ihrer Kaninchenjacke hochgeschlagen, ging rasch und nach vorn gebeugt. Das Kopftuch, das sie trug, flatterte rastlos an ihrem Hinterkopf.
Das Jagdfieber trieb den Mann
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