0075 - Es geht um Kopf und Kragen
Grinsen.
»Na, du Naseweis?«, knurrte der Raue. »Wie fühlst du dich?«
»Danke der Nachfrage«, erwiderte ich seufzend. »Soweit ganz gut, bis auf meinen Kopf. Ist jemand sicher, dass die Niagarafälle sich noch an der kanadischen Grenze befinden? Ich glaube eher, sie sind in meinen Kopf übergesiedelt.«
Das war eine verdammt harte Anstrengung, so viel Wörter herauszukriegen.
Dafür erntete ich ein dröhnendes Gelächter. Ich schloss erst einmal wieder die Augen und atmete langsam. In meinem Kopf zuckten gelegentlich noch sehr schöne, farbige Blitze durch die Gehirnwindungen. Als ich die Augen wieder öffnete, wurde mir plötzlich klar, dass ich gefesselt war. Und zwar mit einer Wäscheleine an einen Lehnstuhl. Man hatte sich Mühe gegeben, und außer den kleinen Fingern konnte ich nichts bewegen.
»Wer bist du?«, fragte mich der Raue.
»Der Weihnachtsmann, denn ich werde euch eine schöne Bescherung bringen«, knurrte ich, »wenn ihr mir nicht bald diesen Bindfaden abnehmt.«
Der Raue kam einen Schritt näher heran.
»Wenn du frech wirst, Kleiner, werde ich dich noch mal durch die Mangel drehen!«, drohte er.
»Das wirst du sehr bereuen, Bruderherz«, versprach ich ihm. »Ich bin nämlich kein Selbstmörder, und wenn ich irgendetwas unternehme, dann pflege ich mir vorher immer den Rücken abzudecken.«
»Nur diesmal hast du’s vergessen, was? No, mein Lieber! Auf den Bluff falle ich nicht herein. Wir wissen genau, dass du allein gekommen bist!«
Ich grinste.
»So?«
Er wurde unsicher und wandte sich fragend an Olga. Sie schüttelte energisch den Kopf.
»Ich muss es doch wissen«, beharrte sie. »Er ist allein gekommen!«
»Na also«, atmete der Raue beruhigt aus. »Dann spuck nicht so große Töne, mein Lieber, sonst sind es die Letzten, die du überhaupt von dir geben könntest. Also: Wer bist du?«
Na, ich war das Spiel auch langsam leid.
»Hol dir mal meine Brieftasche aus meinem Jackett. Da steht es genau drin.«
Zuerst dachte er wohl, es sei irgendein Trick, mit dem ich ihn in meine Reichweite zu bekommen suchte. Aber als er sich mit ausgestreckten Armen von der Güte meiner Fesselung überzeugt hatte, wagte er es doch, mir die Brieftasche aus der Jacke zu ziehen. Meine Pistole hatte er schon vorher entfernt. Sie lag weiter hinten auf einem kleinen Rauchtisch. Wenn der Trottel sie genauer angesehen hätte, so wäre ihm der Prägestempel der FBl-Waffenkammer aufgefallen. Aber manche Leute haben Augen im Kopf, damit sie trotzdem nicht sehen. .
Er trat vorsichtshalber schnell wieder ein paar Schritte zurück und klappte meine Brieftasche auf. Zuoberst lag mein Dienstausweis. Er starrte auf die Zellophanhülle und wurde plötzlich kreidebleich. Olga bemerkte es und drängte sich an ihn heran, um über seine Schulter hinweg einen Blick in meine Brieftasche zu erhaschen.
»Ein G-man!«, stammelte der Raue, und jetzt war er auf einmal ganz sanft. »Ein G-man! Verdammt noch mal! Was machen wir jetzt?«
Er war so ratlos, dass ich grinsen musste.
»Vielleicht befreit ihr mich erst einmal von diesem albernen Bindfaden?«, schlug ich vor.
»Halt’s Maul, du verdammter Bluthund!«, schrie er mich an, und jetzt war er wieder ausgesprochen rau. Er wandte sich Olga zu und schrie sie an: »Wie konntest du denn bloß so dämlich sein, dich mit einem G-man anzulegen! Hättest du doch ganz einfach alles abgestritten! Sie konnten uns garantiert noch nichts beweisen! Es war einfach einer ihrer verdammten Bluffs, mit denen sie die Leute hereinlegen!«
»Stimmt auffallend«, sagte ich. Und fügte lächelnd hinzu: »Ihr seid ja auch großartig auf den Leim gegangen!«
Der Raue begann zu toben, dass ich Angst um meine Trommelfelle bekam. Er verpasste der schwarzhaarigen Olga eine Ohrfeige, dass sie in einen Sessel flog und sich nicht mehr zu rühren wagte.
Nachdem er sich sehr ergiebig ausgetobt hatte, beruhigte er sich nur sehr langsam. Er ließ sich in einen anderen Sessel fallen und griff nach der Whiskyflasche, die auf dem Rauchtisch stand. Der Kürze halber verzichtete er auf ein Glas.
»Wir werden ihn umlegen und seine Leiche in den Hudson werfen«, entschied er dann. »Ich glaube, das ist das Vernünftigste.«
Ich rümpfte die Nase. Sehr vernünftig erschien mir dieser Plan nun gar nicht. Abgesehen davon, dass ich dabei mein Leben aushauchen musste, würde ich mir noch im Grab den Vorwurf machen müssen, dass ich ein Zimmer für leer gehalten hatte, hinter dessen Tür sich einer versteckt
Weitere Kostenlose Bücher