0076 - Wir verlernten das Lachen
jetzt?«
Der Capitano runzelte die Stirn. »Ihr Landsmann ist restlos mit den Nerven herunter. Man hat ihm im ,Calabria' ein anderes Zimmer angewiesen, das nicht über die Feuerleiter zugänglich ist, und der Hotelarzt mußte ihm eine Spritze geben. Das war nötig, weil er in seiner Hysterie beinahe eine Panik ausgelöst hätte.«
Ich nickte. »Wir werden ihn morgen einmal vornehmen. Er muß etwas wissen, ist sich aber dessen vielleicht nicht bewußt…«
Das Schrillen des Telefons brachte mich zum Verstummen. Mantelli nahm den Hörer ab, meldete sich und hörte eine ganze Weile zu. Dann sagte er: »Gut, ich sehe mir die Sache selbst an. Sperren Sie die Stelle ab, halten Sie vor allen Dingen gegenüber der Presse den Mund. Leunänt Linarez soll die Sache übernehmen. Setzen Sie ihn und einen Feuerwerker in Marsch…«
Er wandte sich mit tödlichem Ernst zu uns um. »Ich lag wohl mit meiner Überlegung, daß man es nicht allein auf Mister Cotton abgesehen habe, vollkommen richtig, denn ich erhalte eben die Nachricht, daß in- Ihrem Zimmer punkt zwei Uhr dreißig eine Höllenmaschine explodiert ist. Mr. Decker.«
***
Die Panama-Police hatte gute Arbeit geleistet. Als wir im ›Oriental‹ eintrafen, war bereits das ganze Stockwerk geräumt und abgesperrt. Leutnant Linarez, ein blutjunger Mulatte mit einem intelligenten Gesicht, führte mit einem Spezialtrupp die ersten Ermittlungen. Phils Zimmer sah trostlos aus. Das Fenster war samt Füllung aus dem Mauerwerk geflogen, das Bett zusammengebrochen, der Schrank umgestürzt, und Boden, Wände und Decke wiesen große Löcher auf.
Phil war ein wenig blaß. Er wandte sich an Mantelli. »Vielen Dank, Capitano, ohne Ihren Anruf hätte ich das Hotel nicht verlassen und wäre jetzt nicht mehr. Diese Bande, diese elende Bande…«
Mantelli stellte uns Linarez vor, und dieser berichtete in verständlichem Englisch:
»Wir haben die Situation bereits rekonstruiert. Die Höllenmaschine bestand aus einem Uhrwerk, das Sie für zwei Balboas in jedem Fachgeschäft bekommen, einem Zugzünder und einer Trinitrotoluol-Ladung…«
»Trinitrotoluol liegt bei den Magazinen der Kanalgesellschaft haufenweise herum«, warf Mantelli ein. »Die Spur führt zu nichts. — Machen Sie weiter, Linarez!« —Wir verließen den abgesperrten Trakt und stießen im Halbstock mit Morello, dem Hoteldirektor zusammen. Den Mann hatte die Geschichte mit der Schlange und die Explosion mehr mitgenommen als uns.
»Darf ich die Herren in mein Büro bitten?« fragte er. Er durfte.
Dort bot er uns einen Whisky der Sonderklasse an und erging sich in wortreichen Jeremiaden.
»In Zukunft werden die Zimmer der Herren Tag und Nacht überwacht werden«, suchte Mantelli ihn zu beruhigen.
Morello rief durch die Haussprechanlage einen gewissen Cabot und einen zweiten Mann namens Diego zu sich. Cabot entpuppte sich als der nette Angestellte von der Reception, Diego war ein weißgekleideter reinrassiger Neger; er trug ein weißes Schiffchen auf dem Wollschädel und war wohl der Mixer der Hotelbar.
Morello sah Cabot mit einem weichen Blick an — als wenn er für alles verantwortlich wäre, und forderte ihn auf, uns seine Geschichte zu erzählen.
»Also, das war so«, begann Cabot seufzend. »Gegen vier kommt ein Herr und fragt nach Mr. Cotton, Ich sag ihm die Zimmernummer und, - daß Mr. Cotton und sein Freund nicht, da sind. Macht nichts, sagte er, dann komm ich eben morgen wieder. Soll ich was bestellen? frag' ich, aber er meint, bitte nicht, er wolle Mr. Cotton die Überraschung nicht vorenthalten, packt seinen Geigenkasten und ist verschwunden.«
»Die Überraschung ist wirklich gelungen!« warf Mantelli sarkastisch ein.
»Aber machen Sie mir doch keine Vorwürfe«, verteidigte sich Cabot weinerlich. »Konnte ich vielleicht die Sache ahnen?«
»Geigenkasten!« murmelte Phil. »Das Instrument, das er da drin hatte, sah bestimmt einer Flöte mehr ähnlich als einer Geige…«
»… und außerdem befand sich noch eine Sprengladung in dem Kasten«, ergänzte ich. »Können Sie den Mann beschreiben?«
Geschulte Hotelangestellte sind Psychologen und Menschenkenner, das erwies sich in diesem Fall von neuem.
»Nach Kleidung und Haarschnitt«, erläuterte Cabot, »ist der Mann Nordamerikaner. Alter: zwischen 35 und 40. Breite Schultern, schmale Hüften, etwas Bauch, aber noch nicht so, daß es unästhetisch wirkt, braunes, schmales Gesicht mit betontem Kinn, brauner Pfeffer-und-Salz-Anzug, Haarfarbe ins
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