0077 - Das Phantom der Insel
Sie sah, wie die Konzentration in seinem Hirn ihm ein paar kräftige Falten auf die Stirn zeichnete.
»Erstens«, sagte er, »Besichtigung des Tatorts bei der Neptunsgrotte. Das wird gleich morgen am Vormittag geschehen. Zweitens: am Nachmittag eine Fahrt nach Sassari.«
»Um diesen Marcello zu suchen?«
»Ja, Nicole.«
»Und drittens?« kam die Frage des Mädchens.
»Der dritte Schritt ist die Suche nach Lo Sardo«, kam die prompte Antwort.
Und Nicoles Frage nach dem vierten und letzten Schritt kam ebenso rasch und entschlossen.
»Viertens«, sagte Zamorra, »wird Lo Sardo vernichtet.«
***
Lifar Georghiu, ein griechischer Bauer, war zumindest für sardische Verhältnisse ein reicher Mann.
Er wohnte im Osten der Insel, in der Nähe der Stadt Orune. Hier hatte er drei kleine Pflanzungen mit Feigen und Datteln. Er konnte sogar ein kleines Exportgeschäft betreiben, und seine Früchte waren im Ausland sehr begehrt.
Mehr noch, besonders in Frankreich und England, schätzte man ein anderes Produkt Georghius. Das war der echte Dattelwein, den er nach uraltem griechischem Rezept herstellte.
Er und seine Familie, die aus seiner Frau und drei Söhnen bestand, waren stolz darauf, daß jede einzelne Frucht aus den Samen kam, die vor mehreren hundert Jahren aus der Heimat nach Sardinien gebracht worden waren.
Der Grieche war beliebt, obwohl er wegen seines Erfolges auch seine Neider hatte. Aber er war ein großzügiger Mann. Und die ganze Umgebung kannte ihn als einen, der niemanden fortschickte, wenn er Hilfe brauchte. Vor allem waren die Landbewohner eine ihrer größten Sorgen los, die in anderen Gegenden die Bevölkerung bedrückten: es gab Arbeit für sie.
Arbeit zu finden, war auf der Insel oft schwieriger, als ein Stück Land oder eine Hütte zu haben.
Georghiu verstand es, die Leute für die Arbeit zu begeistern. Sie alle hatten teil an dem Erfolg, den die kleinen Felder abgaben.
Aus diesem Grunde war der Grieche auch nicht der verhaßte Fremde für sie.
Als nun die ersten Nachrichten von dem ungeheuerlichen Treiben Lo Sardos allmählich verbreitet wurden, fühlten sich alle sicher vor ihm.
Die Leute standen zu Georghiu, und er selbst wehrte ab, wenn man ihn auf Lo Sardo hin ansprach.
»Alghero ist weit weg«, pflegte er zu sagen. »Und Lo Sardo hat es nur auf die Spanier abgesehen. Er kennt mich gar nicht, er hat noch nie etwas von mir gehört. Unmöglich, daß er alle Menschen kennt, die nicht auf der Insel geboren wurden. Nein, mir ist nicht bange vor ihm. Ich habe mich niemals gefürchtet, und notfalls werde ich mich meiner Haut zu wehren wissen.«
Der einzige Kummer, der die Menschen in dieser Gegend beschäftigte und manchmal in Schach hielt, waren die Banditos aus den Bergen.
Sie brachen über das Land herein wie ein Wirbelsturm. Sie tauchten unvermittelt auf, verwüsteten die Felder, stahlen oft ganze Ernten und brachten die Kleinbauern an den Rand des Ruins.
Die Polizei war machtlos gegen sie. Und mancher wußte zu berichten, daß bestimmte Beamte selbst Mitglieder einer der Banden waren.
Diesen Banditos konnte man nur mit äußerster Entschlossenheit begegnen. Georghiu und seine Söhne besaßen diese Entschlossenheit. Mit ihrem ganzen Einsatz und Mut verteidigten sie die Felder und ihr Haus, wenn eine kleine Schar dieser Bergbanditen versuchte, ihnen Leben und Existenz zu gefährden.
Mehr als einen Angriff hatten sie erfolgreich abgewehrt.
Im Laufe der Jahre hatten sie mit einigen zuverlässigen Landarbeitern ein bestimmtes Warnsystem entwickelt.
Dauernd waren Wachen auf den Feldern und den Waldwegen, die zu den kleinen Siedlungen führten. Jeder Fremde wurde beobachtet, und das Dorf war gewarnt, bevor die Banditen es erreicht hatten.
Bisher war jeder Angriff erfolgreich abgewehrt worden.
An diesem Abend hatte Lifar Georghiu selbst einen Teil der Wache übernommen.
Und als er an seinem Standort das plötzliche Geräusch in seinem Rücken hörte, konnte er es nur mit den Banditos in Verbindung bringen.
Er schnellte herum, als das leise Knacken hinter ihm ertönte.
Aber er konnte nichts und niemand erkennen. Da glaubte er, sich getäuscht zu haben.
***
Angestrengt sah der Grieche um sich. Im stärker werdenden Dunkel der Nacht waren nur schemenhafte Umrisse zu erkennen.
Drüben, keine tausend Schritte entfernt, lag das Dorf. Die Hütten mit ihren kegelartigen Dächern hockten wie geduckt auf dem Erdboden.
Und nach rechts hin erstreckten sich die Felder. Hinter ihm war der
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