0077 - Das Phantom der Insel
alle Vorsicht außer acht. Seine Stimme wurde immer lauter, immer drohender.
»Du wirst dich nicht weigern, Georghiu. Mit mir legt man sich nicht an, das mußt du dir merken. Tritt aus dem Wald, und du wirst wissen, mit wem du es zu tun hast. Los, beeile dich. Sardinien ist groß, und ich muß weiter. Heraus auf den Weg mit dir, Georghiu!«
Im gleichen Augenblick spürte der Grieche einen harten Gegenstand in seinem Rücken. Es war die Klinge eines Schnappmessers.
Diese Drohung war eindeutig. Im Augenblick konnte Georghiu sich nicht zur Wehr setzen. Eine falsche Bewegung, und der Fremde würde zustechen.
Langsam trat er auf den Weg am Waldrand zurück.
»Dreh dich jetzt um!« befahl die Stimme des Fremden.
Lifar Georghiu kam auch diesem Befehl nach.
Aber zunächst sah er nichts als die dunkle Masse des Waldes vor sich. Dann aber löste sich eine dunkle Gestalt, kam wie ein mächtiger Schatten auf ihn zu.
Und kam näher, Schritt für Schritt.
Der Grieche erkannte, daß der Fremde eine schwarze Maske trug, und der ganze Körper in schwarzes Tuch gehüllt war.
Jetzt war der Fremde ganz dicht heran.
Georghiu sah, wie er die Arme ausbreitete. In seiner rechten Hand blitzte die Klinge des Schnappmessers.
Der Bauer wurde von Furcht gepackt. Da vor ihm stand kein gewöhnlicher Mensch. Das war eine dämonische Erscheinung. Eine Art Riesenvogel, eine Figur wie ein Drachen oder eine überdimensionale Fledermaus.
Das Dunkel der Nacht machte die Erscheinung noch unheimlicher.
»Da du dich weigern willst, wirst du jetzt gleich hören, wann ich dich hier erwarte. Du wirst in vier Tagen an dieser Stelle sein, zur gleichen Zeit, Bauer! Und du wirst mir die zehntausend Dollar bringen!«
»Und wenn ich mich weigere?« fragte Georghiu.
Da sah er, wie der Fremde in eine unsichtbare Tasche in seinem Gewand griff.
Gleich darauf hatte er ein Stück Tuch in der Hand.
Er kam noch näher und hielt es dem Griechen dicht vor die Augen.
Georghiu sah einen großen Buchstaben, der auf den Stoff gemalt war.
Ein großes »G«.
»Du willst mich umbringen!« preßte er mühsam hervor. »Der Buchstabe steht für meinen Namen, nicht wahr?«
»Nein, Bauer, du irrst dich. Der Name steht für ›Greco‹, für den Griechen.«
»Ich verstehe dich nicht.«
»Ich werde es dir sagen, Bauer. Diese Insel war einmal ein gutes Land. Bis die Fremden über das Meer kamen. Sie kamen und raubten und töteten und nahmen sich unsere Insel. Sie kamen aus allen Richtungen, in allen Jahrhunderten. Sie nannten sich Römer und Goten, sie hießen Spanier und Genuesen. Es kamen die Ligurer und brannten nieder, was sie fanden. Es kamen die Griechen und raubten, was ihnen in die Hände fiel. Nur Tod kam über die See, Tod und Vernichtung. Und nun werden die vernichtet, die zu uns kamen.«
Da dämmerte es Georghiu. So konnte nur einer sprechen.
So redete nur der Dämon der Insel, der Urgeist, der nicht zur Ruhe kam und seine Rache über alle Jahrhunderte ausüben mußte!
»Du bist kein Bandito!« stöhnte der Grieche auf.
»Das sagte ich dir!« war die Antwort.
»Und wer bist du?« fragte Georghiu.
Statt einer Antwort griff der Fremde wieder in sein schwarzes Gewand und brachte ein zweites Stück Tuch zum Vorschein.
Als Georghiu das große »S« darauf sah, wußte er, wer sein Gegenüber war.
Brachte keinen Ton mehr heraus. Er schloß wie gepeinigt die Augen.
Als er sie wieder öffnete, war die Erscheinung verschwunden.
Aber der Grieche wußte, daß es Lo Sardo gewesen war, der ihn bedroht hatte. Um Hilfe rufend lief er mit mächtigen Schritten auf sein Haus zu.
***
Professor Zamorra und Nicole Duval hatten sich bald überzeugt, daß man von der Küste her niemals die Spur Lo Sardos finden würde.
»Alles bleibt zunächst Theorie«, sagte der Professor. »Und wir wissen noch zu wenig.«
»Trotzdem ist sicher, daß dieser Unheimliche keine Gewalt anwendet«, warf Nicole ein.
»Jedenfalls nicht direkt«, gab Zamorra zurück. »Seine Gewalt ist anders. Er muß über eine Macht verfügen, die das Opfer allein durch den Schock tötet. Nur der Anblick Lo Sardos reicht aus, das Opfer in den Tod zu treiben.«
»Ja, so muß es sein. Hier sind nirgends Spuren von einem Kampf zu finden. Weder oben auf den Klippen noch unten am Strand.«
»Wobei natürlich die Steine eine solche Spur überhaupt unmöglich machen«, erwiderte Zamorra. »Klar ist mir bis jetzt nur, daß Lo Sardo seine Opfer immer auf die Klippen zutreibt. Das muß seine Hintergründe
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