0077 - Das Phantom der Insel
dieser Gegend versteckt, wird einen höher gelegenen Ort wählen. Dort kann er beide Seiten des Massivs überblicken.«
»Ja, und zwar genau von dort aus!« rief Marcello plötzlich.
Aufgeregt zeigte er mit dem Arm nach oben, zur Spitze der Felsen.
»Ich sehe nichts«, stellte Zamorra fest.
Und Nicole Duval schüttelte den Kopf.
»Ich auch nicht«, sagte sie. »Nichts, außer Felsengestein und Bäume und Sträucher.«
»Genau wie ich«, sagte Marcello ruhig. »Aber ich rieche etwas.«
»Riechen?« fragten Zamorra und Nicole wie aus einem Munde.
»Ja, Professore. Hier oben war jemand, vor wenigen Stunden. Ich kann noch nichts sehen. Aber jemand hat ein Feuer gemacht. Manchmal brennen die Wälder hier. Das ist, wenn der starke Westwind, der Ponente, die heiße Erde rüttelt. Dann kommt es zu Waldbränden.«
»Aber es geht gar kein Wind hier oben«, bemerkte Nicole.
»Richtig, Signorina. Und für einen Brand ist es noch viel zu früh. So heiß ist die Sonne noch nicht zu spüren. Ich behaupte, daß dort oben ein Feuer gemacht wurde.«
»Dann laß es uns suchen«, schlug Zamorra vor.
Sie stiegen bergan, und nach zwanzig Minuten standen sie vor einem winzigen Schacht, aus dem leichter, dünner Rauch stieg.
»Meine Nase war richtig«, sagte Marcello stolz.
»Aber hier kann sich niemand befinden«, stellte Zamorra fest.
»Durch dieses winzige Loch kann sich ja kaum ein Wiesel zwängen.«
»Der Mann ist schlau«, sagte Marcello. »Er kennt sich aus. Er hat die Stelle gut gewählt.«
»Du meinst, daß hier, unter diesem Felsen, nur die Feuerstelle ist?« fragte Zamorra.
»Vielleicht nicht einmal das. Aber in den Bergen gibt es kleine Stollen. Der Mann ist ganz woanders. Er kann den Rauch abziehen lassen, wenn er Feuer macht.«
»Durch einen Steinschacht, der wie ein Kamin wirkt«, sagte Zamorra. »Das könnte stimmen. Suchen wir also weiter.«
Sie begannen, in kleineren Kreisen um die Brandstelle zu gehen.
Dann wurden die Kreise vergrößert. Und dann standen sie vor dem Eingang zu einer Höhle mit einer übermannshohen Öffnung.
Diesmal war es Nicole, die diese Entdeckung machte.
»Ich überlegte mir, daß man sein Versteck nicht auf dem Präsentierteller zeigt«, sagte sie. »Denn dann ist es kein Versteck mehr.«
Nicole hatte recht. Eine so große Öffnung mußte schon von weitem auffallen. Aber die Höhle war gut gewählt. Sie lag hinter einer Gruppe von dichten Bäumen versteckt.
»Wie hast du sie entdeckt?« wollte Zamorra wissen.
»Die Sonne hat mir geholfen. Komm hierher, Zamorra.«
Der Professor trat neben seine Sekretärin.
Da sah er das seltsame Lichtspiel. Die Sonnenstrahlen fielen in einem Winkel auf die Bäume, daß sie teilweise durch das Astwerk dringen konnten. Und hinter den Bäumen, wo der Eingang der Höhle war, fielen sie auf einen Gegenstand und brachten ihn zum Glänzen.
»So glänzt nur Gold«, sagte Zamorra. »Folgt mir. Wir müssen die Höhle untersuchen.«
***
Der Professor öffnete die Brusttasche seiner Jacke und holte eine kleine Handlampe heraus. Mit Hilfe des kleinen Lichtscheins konnten sie die Höhle durchleuchten.
Sie waren darauf gefaßt, ein Versteck mit einer Sammlung von Waffen und Munition zu finden. Sie rechneten mit einem zusammengetragenen Schatz von Gold und Edelsteinen.
Ihrer Phantasie waren keine Grenzen gesetzt.
Aber sie fanden Dinge, die in keiner Beziehung mit einem geheimen Versteck in den Bergen gebracht werden konnten.
Ihr Fund war so seltsam, daß sie sich schweigend ansahen. Sie wußten zunächst nichts zu fragen und zu sagen.
Die Feuerstelle hatten sie sogleich bemerkt. Und sie fanden bestätigt, daß von hier aus der Rauch abgeleitet wurde. Durch einen feinen Schacht dicht unterhalb der Erdoberfläche.
Aber was sie auf einem weißen Holztisch fanden, verschlug ihnen die Sprache.
Bücher!
Fast zwei Dutzend alter Bücher!
»Das ist nicht zu glauben«, sagte Nicole.
Zamorra gab keine Antwort. Er hatte die ersten Bücher bereits aufgeblättert.
Dabei fielen ihm einige Dinge auf. Zunächst einmal waren alle diese Bücher mit einem Stempel versehen. Er trug den Namen einer Bibliothek in der Hauptstadt Cagliari.
Und dann fand Zamorra zwei Namen, die ihn noch mehr stutzig machten.
»Hier, Nicole, lies bitte«, sagte er und hielt dem Mädchen eines der Bücher hin.
Es trug den Titel »Der Spanische Überfall«. Und auf einer Seite stand deutlich zu lesen der Name Pelera.
»Aber so hieß doch eines der Opfer Lo Sardos!« rief Nicole
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