0077 - Das Phantom der Insel
Waldrand. In jeder Sekunde glaubte er, daß ein schwarzer Schemen sich dort lösen und auf ihn zukommen müßte.
Aber er starrte vergeblich in das Dunkel des Waldes, das durch die einbrechende Nacht noch verstärkt wurde.
Und plötzlich wußte er, daß Lo Sardo hinter ihm stand!
Er mußte von der anderen Seite, von der Straße her, gekommen sein.
Lifar Georghiu erstarrte, noch bevor er die Klinge des Messers in seinem Rücken spürte.
»Wirf deinen Sack weg, Bauer!« zischte die Stimme Lo Sardos. »Ich weiß, daß du das Geld nicht mitgebracht hast. Und nun sage mir, wie viele es sind, Georghiu!«
»Was meinst du?«
»Männer, du Dummkopf! Wonach sollte ich sonst fragen?«
»Du hast es gewußt?« fragte Georghiu ungläubig.
»Ich habe alles gewußt. Ich brauchte euch nicht einmal zu beobachten. Also sag schon, wieviel du heimtückisch gegen mich loshetzen willst.«
»Du wirst ihnen nicht entkommen«, begehrte Lifar Georghiu auf.
»Es sind mehr als zwanzig Männer im Wald. Die besten und tapfersten. Sie werden dich erledigen, sobald du mir nur ein Haar krümmst.«
»Zwanzig, sagst du? Zwanzig Männer und ein paar mehr? Dann lasse sie kommen, Bauer! Die schafft Lo Sardo ohne einen Messerstich. Zwanzig sind nicht viel. Rufe nur, und versuche dein Leben zu retten!«
Der Grieche zögerte noch. Er wollte seine Leute nicht unnütz in Gefahr begeben.
Aber der Druck der Messerklinge in seinem Rücken verstärkte sich.
Da stieß er einen langen, gellenden Schrei aus.
»Er ist hinter mir!« schrie er los. »Er kommt nicht aus dem Wald! Lo Sardo steht hinter mir, er bedroht mich mit dem Messer! Wenn ich eine Bewegung mache, ist es um mich geschehen!«
Gleich darauf hörte er, wie es im Wald zu rascheln und zu knacken begann.
Und schon brachen die ersten der Männer aus dem Unterholz. Als dunkle und unerkennbare Gestalten kamen sie auf Lo Sardo zu.
Der Dämon lachte höhnisch auf, als er die Männer kommen sah.
Mit einem kräftigen Schlag seiner linken Faust stieß er Georghiu beiseite und stellte sich den Angreifern.
»Bleib stehen, Bauer! Dich hebe ich mir für zuletzt auf. Erst einmal sollst du sehen, wie Lo Sardo sich zu verteidigen weiß. Zähl deine Männer, denn du hast sie nicht mehr lange!«
Immer näher kamen die Angreifer.
Messer blitzten dumpf auf, wenn das Mondlicht bleich auf ihre Klingen fiel. Mit geschwungenen Knüppeln kamen sie heran, Mann für Mann. Mit geballten Fäusten wollten sie auf Lo Sardo eindringen.
Der Dämon der Insel ließ sie kommen.
Dann, als der erste heran war, riß er sich die Maske vom Gesicht.
Darunter wurde sein Gesicht erkennbar, und dennoch war es nicht sein wahres Gesicht.
Von der Stirn bis zum Kinn war die Gesichtshaut mit einer gelblich-weißen Masse bestrichen.
Die Farbmischung aus Kreide und Lehm, die Zamorra mit seinen Begleitern erst vor wenigen Stunden entdeckt hatte!
Es war aber nicht diese seltsame Bemalung, dieses unheimlich bleiche Gesicht, das den Männern Furcht einjagte.
Es waren vielmehr die Augen des Inselgeistes!
Das waren keine Blicke mehr, die er ihnen zuwarf!
Das waren grelle Blitze, die er gegen sie schoß!
Die Augen wirkten seltsam leblos und durchsichtig, wie in Trance.
So mußte ein Wahnsinniger aussehen, der zu einem Amoklauf ansetzte!
Die Männer standen starr vor Schreck.
Und im nächsten Augenblick schlug Lo Sardo zu. Zum erstenmal.
Es war der älteste Sohn Georghius, der ihm am nächsten war.
Er riß ihn zu sich heran, schlug ihm mit der harten Kante seiner Rechten das erhobene Messer aus der Hand.
Schon war diese Hand Lo Sardos wieder in der Luft, holte zu einem neuen Hieb aus. Und diesmal traf der Schlag das Genick des jungen Mannes.
Der Sohn des Bauern kippte um wie ein Baumstumpf, wie vom Hieb einer starken Axt gefällt.
Nun war Lo Sardo in seinem Element.
Er hatte die Männer mit seinen Worten nur warnen und einschüchtern wollen.
Er fuhr mitten in die Gruppe der Männer hinein. Wer ihm vor die Augen kam, mußte diese tödlichen Blitze aus Haß und Rachlust hinnehmen. Sie schienen in die Körper der Männer zu dringen wie Feuerstrahlen.
Vereinzelt hoben sich Arme und Hände zur Abwehr.
Aber Lo Sardos Körper schien unverwundbar zu sein.
Er steckte die Schläge und Stiche von Keulen und Messern ein, als handle es sich um Regentropfen oder Mückenstiche.
Einmal stand er, griff mit beiden Händen nach rechts und links, zog zwei der Angreifer heran, würgte jeden mit einer Hand. Und der Druck dieser geisterhaften
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