0077 - Das Phantom der Insel
Hände war so stark, so ungeheuer, daß er die Männer tötete.
Mit einem Wutgeheul stürzten sich die nächsten auf Lo Sardo.
Keiner wollte als feige gelten. Keiner dachte an Flucht.
Wenn sie vorher bereit zum Kampfe gewesen waren, so wurde ihr Haß gegen diese dämonische Erscheinung nur noch gesteigert, als sie ihre Freunde sahen, die wimmernd am Boden lagen oder schon ihren Geist aufgegeben hatten.
In dieser Minute wußte niemand, wieviele der Männer noch lebten.
Und Lo Sardo ließ nicht nach. Er entfesselte eine wahre Vernichtungsschlacht unter diesen Männern.
Grell drangen die Blitze aus seinen Augen in die Brust seiner Angreifer. Mann auf Mann fiel diesen Blicken aus Feuer und Tod zum Opfer.
Lo Sardo wütete wie ein Orkan.
Nur Minuten noch dauerte der Kampf zwischen den ungleichen Gegnern.
Ein letzter Ruck, ein letzter gewaltiger Schlag von Lo Sardos Hand, die wie die Pranke eines Bären zuschlug.
Dann sah Lo Sardo sich um.
Regungslos stand der alte Lifar Georghiu am Rande dieses Kampfplatzes.
Er war nicht fähig gewesen, seinen Männern zu Hilfe zu kommen.
Die Schnelligkeit, mit der Lo Sardo die Männer abwehrte und bezwang, hatte ihm den Atem geraubt.
Und die vernichtenden Blitze aus den Augen des Gegners hatten ihn vollkommen gelähmt.
Jetzt sah er, wie Lo Sardo herankam.
»Wir wollen nicht zählen, wieviele von ihnen tot sind«, sagte er mit lauter Stimme. »Wer am Morgen aufwacht, kann von Glück sagen. Die anderen haben den Tod verdient. Erstens, weil sie dir, einem Hund von Griechen, helfen wollten. Und zweitens, weil sie mir eine Falle stellen wollten. Du hast erlebt, Bauer, daß man mich in keinen Hinterhalt locken kann. Und nun zu dir. Bauer. Hier den Weg entlang, und keinen Schritt zu langsam und zu schnell!«
»Was willst du?« fragte Georghiu mit erstickter Stimme.
»Nur eine Kleinigkeit noch, Bauer«, war die bittere Antwort. »Dein Leben will ich. Aber ich will es auf andere Weise als bei deinen Leuten. Geh und frage nicht. Ich sage dir, wohin der Weg geht.«
Stöhnend machte sich Lifar Georghiu daran, seinen vor Furcht gekrümmten Körper in Bewegung zu setzen.
Unterwegs wollte er sich auf Fragen und Bitten verlegen, aber Lo Sardo gebot ihm schroff zu schweigen.
Zwei Stunden lang führte der Weg quer über die Hänge und Hügel westlich von der Stadt.
Dann wurde das Rauschen eines kleinen Wasserfalls hörbar. Sie kamen an einen Fluß.
Tief unten dröhnte der Wasserfall, mit jedem Schritt war er deutlicher zu hören, kamen sie ihm näher.
Dann tat sich der Wald auf. Im Halbdunkel sah Lifar Georghiu die Schlucht vor sich. Die felsigen Hänge, nur karg mit Bäumen bewachsen.
Da unten, das wußte er, wollte Lo Sardo ihn haben.
Aber der Geist der Insel ließ sich Zeit. Sich und ihm, dem verhaßten Fremden. Er wollte ihm sagen, warum er sterben mußte.
***
»Setz dich, wir haben Zeit«, sagte Lo Sardo. »Der Morgen kommt noch nicht.«
Gehorsam ließ sich Lifar Georghiu im dichten Gras zu seinen Füßen nieder.
Dann folgte ein langes, eisiges Schweigen.
»Du weißt nicht, wie lange deine Familie auf der Insel ist«, begann dann der schwarze Dämon. Er sah trotz der Dunkelheit, wie der Grieche stumm den Kopf schüttelte.
»Gib Antwort, wenn ich dich frage«, sagte Lo Sardo.
»Ich weiß es nicht. Nicht genau.«
»Es war vor fast dreihundert Jahren«, erklärte der Geist der Insel.
»Das kann richtig sein«, gab der Grieche resigniert zurück. »Ich weiß nicht, warum du mir das sagst.«
»Damit du begreifst, warum ich dich verfolge. Euch alle, die ihr fremd seid und an unserer Erde reich werdet.«
»Wir arbeiten schwer«, gab der Grieche zurück.
»Auch wir müssen arbeiten, jeder hat seine Last zu tragen. Aber wir waren einmal besser dran, wir konnten arbeiten und teilen. Bis die Fremden kamen. In jedem Jahrhundert sind sie gekommen, von allen Küsten und aus allen Himmelsrichtungen. Und der Urvater deiner Familie, Bauer, der ist in Bari Sardo gelandet, vor mehr als zweihundertachtzig Jahren. Er kam mit einer Schar erbitterter Männer. Und er kam nach Bari Sardo. Es war eine gute Stadt, eine schö- ne Stadt, die Stadt meiner Väter.«
»Du kommst aus dieser Stadt?« fragte Georghiu. »Ich kenne sie nicht einmal.«
»Du hörst aber, daß ich ihren Namen trage. Damals waren meine Väter die Fürsten der Stadt und eines großen Teils der Insel. Als die Griechen kamen, wurden sie niedergemetzelt.«
»Das ist alte, vergessene Schuld«, versuchte sich der Grieche zu
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