0077 - Der Mörder aus dem Nichts
Detektive in jenen rauhen Zeiten es schwerer hatten als wir heute.
Das Telefon schrillte. Ich rechnete, daß es Phil sein würde, aber es meldete sich eine höchst dienstliche Stimme.
»FBI-Zentrale. Alle dienstfreien Beamten müssen sofort zum States Sanatory for Mental Disorder kommen. Massenausbruch von gefährlichen Kranken.«
»Wohin?« fragte ich.
»Mann, zum Irrenhaus«, antwortete der Kollege in der Zentrale. »Das solltest du wirklich kennen!« Er betonte das »du« auf unverschämte Weise.
Ich schlüpfte in die Schuhe, schnappte mir die Halfter und meine Jacke und sauste die Treppe hinunter. Wie gewöhnlich stand der Jaguar vor der Tür. Den Schlüssel ins Zündschloß, Druck auf den Anlasser, Fuß aufs Gas, Druck auf die Sirene — und ab ging die Post.
Obwohl ich jetzt wußte, wo das States Sanatory for Mental Disorder lag, und worum es sich handelte, so hätte ich es auch gefunden, wenn ich nicht genau Bescheid gewußt hätte. Die Gegend wimmelte von Polizisten. Überall heulten die Sirenen der Streifenwagen. Scheinwerfer zuckten durch die Nacht. In allen Fenstern der umliegenden Häuser brannte Licht. Die Menschen lagen in notdürftiger Kleidung in den Fenstern. Im Vorbeifahren hörte ich das Gedröhne eines Lautsprecherwagens: »… verlassen Sie nicht Ihre Wohnungen! Öffnen Sie niemandem die Tür, bis…«
Das Parkgelände, das sich an die Gebäude der Anstalt anschloß, hallte wider von den Rufen suchender Polizisten.
Ich durchfuhr diesen Park auf der Autostraße, die ihn in Richtung auf die Anstalt durchschnitt. Plötzlich sah ich im Licht der Scheinwerfer eine Gestalt mitten auf der Straße. Ich drückte auf die Hupe. Die Gestalt rührte sich nicht. Ich mußte gewaltig auf die Bremse steigen. Fünfzehn oder zwanzig Yard vor dem anscheinend tauben Burschen blieb der Jaguar stehen.
»He!« rief ich ihn an.
Er kauerte sich nieder. Ich sah seine Augen gut im Scheinwerferlicht. Sie waren stumpf wie die eines Tieres.
Ich stieg aus und ging auf ihn zu. Er starrte mir entgegen, rührte sich aber nicht vom Fleck. Er war barfuß und trug eine braune Leinenkleidung. Sein Alter war aus den Zügen seines Gesichts nicht zu erraten, aber an der Kleidung erkannte ich, daß es einer der entsprungenen Kranken sein mußte.
Ich hatte keine Ahnung, wie man mit jemandem umgehen muß, der an Wahnvorstellungen leidet, aber ich dachte mir, daß es richtig sei, freundlich mit ihm zu reden.
»Schöne, warme Nacht«, sagte ich, »aber doch zu kühl, um mit bloßen Füßen herumzulaufen. Könnte dich einen schweren Schnupfen kosten. Steig in meinen Wagen ein! Ich fahre dich nach Hause!«
Am Gesichtsausdruck war nicht zu erkennen, ob er meine Worte überhaupt gehört, geschweige denn, verstanden hatte, aber plötzlich stand er mit einer richtigen Bewegung auf und stakte auf den Jaguar zu. Ich ging langsam hinter ihm her. Er setzte sich auf den Führersitz, krampfte beide Hände um das Steuer. Er kurbelte am Steuerrad und ahmte das Geräusch eines Automotors nach. »Brumm-brr-brumm.« Er sah mich an und lachte.
»Fein«, lachte ich, »aber jetzt rücke zur Seite. Jetzt fahren wir richtig.«
Er gehorchte sofort. Wissen Sie, mich beschlich ein unangenehmes Gefühl im Nacken, als ich mich neben ihn setzte, aber ich überwand es.
Er sah gespannt zu, wie ich den Wagen in Bewegung setzte, und als wir fuhren, hörte ich ihn erfreut lachen.
Bis zu den Gebäuden des Sanatory war es keine Meile mehr. Alles schien glatt zu gehen, aber als ich die erleuchteten Gebäude und die vielen Wagen, die davor standen, schon sehen konnte, fiel er mich plötzlich und ohne jede Warnung an.
Er warf sich mit seinem ganzen Körpergewicht auf mich. Das Steuer drehte sich. Der Wagen geriet aus der Bahn. Ich sah eine dicke Ulme auf mich zurasen. Nur unter Aufbietung aller Kräfte brachte ich den Jaguar wieder in die Gerade.
Der Irre krallte seine Finger in meinen Hals. Ich nahm eine Hand vom Steuer, stieß ihm schwer mit dem Ellenbogen vor die Brust, aber er schien es nicht zu spüren.
Ich schlug von unten her die Faust gegen sein Kinn. Das warf ihn zurück und schleuderte ihn in die Ecke. Sofort streckte ich den Arm aus und versuchte, ihn niederzuhalten. Er bekam meine Hand zu fassen und biß so fest hinein, daß ich aufschrie. Ich bremste, vermied unter den wütenden Angriffen des Kranken, die mich an einer vernünftigen Lenkung hinderten, gerade noch den Zusammenstoß mit einem der parkenden Wagen und hatte dann endlich beide Hände
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