008 - Der schlafende König
Ehe der an empfindlicher Stelle Getroffene Luft holen konnte, um einen Alarmschrei auszustoßen, hatte Aruula ihm einen Haken verpasst, der ihn ebenfalls schlafen legte.
Sekunden später eilten sie gemeinsam und von niemandem gesehen durch den wuchernden Park, der die Villa umgab. Zwischen dornigen Büschen, die dicht an der Hauswand wuchsen, fanden sie eine Tür. Ein Nebeneingang, der in den Keller führte. Matt stolperte, Aruula im Gefolge, eine abgetretene Steintreppe hinunter und eilte durch einen zu seiner Verblüffung von elektrischen Lampen erhellten Gang. Wieder eine Parallele zu Mailand! Aber diesmal konnte nicht Smythe dahinter stecken! Oder…?
Kurz darauf gelangten sie an eine graue Eisentür. Sie stand offen. Dahinter befand sich ein Raum von etwa acht Quadratmetern Größe. Im Boden war ein runder Einstieg, groß genug, um einen Menschen durchzulassen. Der Deckel stand offen. Von unten drang kühle Luft zu ihnen herauf. Alles wirkte sauber und trocken. Matt glaubte aus der Tiefe ein regelmäßiges Summen zu hören. Ein Generator?
Irgendwo weit hinter ihnen klirrte Stahl auf Stahl. Man hörte das Knirschen von Stiefeln auf Kies, heiseres Gebell, heftiges Gewehr und Pistolenfeuer und Schmerzensschreie. Die Guule wollten offenbar nicht aufgeben. Rings um die Villa tobte eine Schlacht mit höchst Ungewissem Ausgang.
Wenn er es sich recht überlegte, hatte Matt keine große Lust, sich in die Sache verwickeln zu lassen. Zuerst musste er rauskriegen/ wer die Guten und die Bösen waren.
»Runter, Maddrax?« fragte Aruula und deutete auf den offenen Einstieg.
»Eigentlich lieber nicht«, sagte Matt. »Wer weiß, ob wir da unten nicht in der Falle sitzen.«
»He!«
Matt und Aruula fuhren herum. Am Ende des Ganges, durch den sie gekommen waren, am Nebeneingang, tauchte der Kopf eines Behelmten auf, der eine Armbrust schwang. Er hatte sie gesehen, wandte sich um und schrie Alarm.
Matt zuckte die Achseln. »Aber wir haben wohl keine andere Wahl.«
»Et fa comu fa«, sagte Aruula. »Es ist, wie es ist.«
Sie sprang als erste in die Tiefe.
***
COMPUTER-TAGEBUCH: BRUNO VI. MÖTZLI (2380)
Die härteste Schlacht um unseren Tempel begann, als Gnepf Nüssli III., mächtigster Herr der Grauen Eminenzen, die Parole ausgab: »Nieder mit dem schlafenden König! Es gibt gar keinen König, der so heißt, und seine dreckigen Ordensbrüder haben uns gar nichts zu befehlen.«
Er wiegelte die braven Fischersleut am Zürisee gegen uns auf, bewaffnete sie mit langen Eisenmessern und dicken Morgensternen und ließ sie mit dem Versprechen gegen uns marschieren, sie reich zu belohnen, sollte es ihnen gelingen, die Mötzlis von ihrer heiligen Scholle zu vertreiben. Doch am Tempel des schlafenden Königs holten sie sich nur blutige Nasen, gebrochene Gebeine und große Löcher im Köpfli. Da hüb unter ihnen ein großes Heulen und Wehklagen an, und sie nannten die Grauen Eminenzen eine Sippe von Lügenbolden und schworen, nie wieder ein Händli gegen die Broglianer Bruderschaft zu erheben. Dies fuchste die Grauen Eminenzen dergestalt, dass sie mit ihrem Reichtum aus dem fernen Fraace eine Horde ins Land holten, die sich »Gulli« nennt und dafür bekannt ist, völlig charakterlos für jedermann zu brandschatzen, der ihr einen fetten Braten verspricht. Fortan verging kaum eine Woch, in der wir uns nicht gegen ihre tückischen Attacken erwehren mussten, und unsere Kugeln wurden so knapp, dass wir dazu übergingen, sie selbst zu gießen.
Demgemäß schickten wir unsere Gepanzerten in der Zahl von Fünfzig gen Züri, wo sie vor der Goldenen Gruft der Grauen Eminenzen eine schmutzige Horde der Gulli aufrieben und denen, die ihr freches Maul aufrissen, selbiges mit Blei füllten. Diese Heldentat brachte unseren Ordensbrüdern viel Lob ein aus dem Mund meines Vaters, des Hohepriester Gopfried, der leider, da ihn ein Zipperlein plagt, derzeit in seinem Bett heftig schwitzt, so dass ich, sein Sohn Bruno der Sechste, benannt nach unserem weisen Ahnherrn, vor dem schlafenden König meine Meldung abgebe. So wir also erkannt haben, dass die großohrigen Wichtel nur die harte Sprache der blutigen Nasen verstehen, wenden wir eine neue Taktik an:
»Die Zahn gefletscht!« soll fortan unsere Parole heißen. »Zeigt dem Mob, wo immer er sich rottet, dass die Garde des schlafenden Königs sich weder vor Mensch noch Biest fürchten tut!«
***
Matt wusste nicht genau, was er erwartet hatte.
Na schön, im Gegensatz zu den anderen Behausungen
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