008 - Der schlafende König
umzingelt fühlten, aus ihrem Gefängnis. Man brachte sie in ein kleines Gemach, in denen ein köstliches Frühstück auf sie wartete. Matt war sofort klar, dass hier irgendetwas nicht stimmte; man wollte sie offensichtlich kooperativ stimmen. Als sie mit dem Essen fertig waren, führte man sie zwar mit vorgehaltener Waffe aber freundlich in den
»Thronsaal«.
Der Kopf Claudius des Ersten war so stark bandagiert, dass sein Verband wie ein Turban wirkte. Sein rechtes Auge war blau, und über seine Nase lief ein breites Pflaster. Er saß auf der mit Taratzenfell bezogenen Sitzfläche eines rustikalen Armsessels und musterte seine Gefangenen mit giftigen Blicken.
Neben und hinter ihm standen die drei Hohepriester. An den Wänden hatten sich etwa zehn Behelmte aufgereiht, an deren Gürteln Revolver und Pistolen hingen. Sie wirkten alle leicht daneben und irgendwie tatterig. Die Schlacht gegen die Guule steckte ihnen wohl noch in den Knochen. Offenbar waren sie es nicht gewohnt, zur Abwechslung mal selbst Prügel zu beziehen.
Für den Gottkaiser aller bekannten Universen musste die Niederlage der vergangenen Nacht natürlich eine besonders peinliche Schlappe sein. Wie Matt an De Broglies Gesichtsausdruck zu erkennen glaubte, war sie an seiner ohnehin fragwürdigen geistigen Gesundheit nicht spurlos vorübergegangen.
»Es wird Sie gewiss freuen zu hören, Commander Drax«, sagte De Broglie und nahm sein Gegenüber fest in Augenschein, »dass ich mir inzwischen einen Überblick über die Lage meines Galaktischen Imperiums verschaffen konnte.«
Galaktisches Imperium? dachte Matt. Auch das noch!
»Wie Gevatter Ruedi der Vierte«, De Broglie deutete auf den hinter ihm stehenden Hohepriester, »mir mitgeteilte, hat sich Gnepf Nüssli, der Finanzminister, während meines Tiefschlafes erdreistet, einen Putschversuch zu unternehmen. Er hat sich mit außerirdischen Legionären zusammengetan und weigert sich, den im Keller der Nationalbank ruhenden Staatsschatz herauszugeben.« Finanzminister? Putschversuch? Außerirdische Legionäre? Nationalbank? Staatsschatz?
Die Sache war klar. De Broglie verstand höchstens zehn Prozent der Sprache seiner Garde. Er hatte keine Ahnung, was mit der Erde passiert war. Er wusste nicht mal, was mit ihm passiert war! Otto Fortenskys legendärer DeepFreezer war ein Flop gewesen! Möglicherweise war De Broglies Hirn beim Erwachen bis auf rudimentäre Erinnerungen leer gewesen. Erinnerungen, die sich zum großen Teil aus den Inhalten diverser Filme und TV-Serien rekrutierten…
Ruedi der Vierte und seine Getreuen, denen längst entfallen war, dass ihr Urahn Bruno den Mythos um den Schlafenden Gott nur gestrickt hatte, damit seine Nachfahren geistig gesund durch die Eiszeit kamen, hatten De Broglie zu dem gemacht, was er nun war: ein Science- fiction-Fan, dessen Lebenstraum sich auf wunderbare Weise erfüllt hatte. Er war in die Zukunft gereist. Glaubwürdige Quellen hatten ihn zum Herrscher über Mensch und Tier ernannt. Wer wäre unter diesem Umständen nicht durchgedreht?
Von seinem alten Charakter, über den Matt nur wusste, was ihm damals die Medien zugetragen hatten, waren nur sein Waffensammeltrieb, sein Interesse an der Zukunft und seine Geldgier geblieben. Aus den zahllosen Ungereimtheiten, die Ruedi der Vierte ihm mitgeteilt hatte, hatte De Broglies seifiges Hirn einen putschenden Finanzminister gemacht, der mit außerirdischen Kräften im Bünde stand.
»Commander Drax«, fuhr er fort, »angesichts der schwierigen Situation, die momentan in meinem Imperium herrscht, habe ich mich nach langen Überlegungen und ausführlichen Konsultationen mit meinen Beratern entschlossen, Ihnen und Ihren merkwürdigen Freunden noch eine Chance zu geben…«
Matt horchte auf.
»Gevatter Ruedi, tretet vor.« De Br,oglie winkte Ruedi dem Vierten, der geschwind hinter dem taratzenfellbespannten Sessel hervortrat und ein eigenartiges Gerät aus den Falten seiner Kutte zog. Es sah aus wie eine Kreuzung zwischen einer Pistole und einer Injektionsspritze.
»Hiermit ernenne ich Commander Drax, Aruula und… äh…«
»Sepp Nüssli«, sagte Sepp eilig, da er davon ausging, dass eine Ernennung auf jeden Fall etwas Positives nach sich ziehen müsse.
»… und Sepp Nüssli zu Sonderagenten meines Imperiums.« De Broglie stand auf und gab Gevatter Ruedi einen Wink, der sich daraufhin hinter Matt stellte und den spitzen Lauf des merkwürdigen Geräts auf die nackte Haut von dessen Hals druckte. Matt war
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