008 - Im Bann der Hexe
der Morgendämmerung das Haus, wenn Beth noch schlief.
Als es an jenem Tag zu regnen anfing, saß Beth gerade auf dem Fußboden und baute für Starla aus Klötzchen ein Schloss. Die Fenster standen offen, der Wind blies die Vorhänge ins Zimmer, und der Regen bildete rasch Pfützen auf dem gebohnerten Fußboden.
Beth rannte durchs Haus, um alle Fenster zu schließen. Etwas atemlos blieb sie schließlich im Gang stehen, überlegte, ob sie überall gewesen war und steuerte dann plötzlich auf Effies Räume zu. Der Wind riss ihr die Tür aus der Hand. Trotz der neuen Fenster stieg ihr ein leichter Moschusgeruch in die Nase. Beth schloss die Fenster und sah sich um. Ein Ziegenbock aus Keramik mit gelben Glasaugen, ein Stück Jade in einer antiken Goldfassung und scheußliche, missgestaltete Figuren aus Ebenholz. Damals sah sie auch zum ersten Mal die Hand – die Bronzehand mit den unheimlichen Symbolen.
Mrs. Richards Worte gingen ihr durch den Sinn, als sie rückwärts aus dem Zimmer floh und hastig die Tür hinter sich schloss.
Sie versuchte, zu vergessen, was sie gesehen hatte, zu vergessen, was sie vergessen musste, denn sie konnte es sich nicht erlauben, dass ihre ständig wachsende Abneigung gegen Effie überhand nahm. Sie standen in ihrer Schuld. Und sie würden dafür zahlen und zahlen.
Als Starla entwöhnt war, sah Beth hoffnungsvoll Effies Abreise entgegen. Eines Tages ging ihr, während sie in der Küche stand und die Fliesen abseifte, eine Melodie durch den Kopf. Sie fing an zu summen, und dann gehörten plötzlich Worte zu der Melodie: „Leb wohl, Effie! Ade, Effie! Auf Nimmerwiedersehen!“
Wo hatte sie den Text plötzlich her?
Abends im Schlafzimmer summte sie immer noch die Melodie vor sich hin. Peter wollte wissen, was das für ein Lied sei.
Sie tanzte im Nachthemd herum und küsste ihn. „Es ist kein richtiges Lied, nur eine kleine Melodie zu Effies Fortgang.“
„Ich wusste nicht, dass Effie uns verlässt.“
„Natürlich tut sie das“, erwiderte Beth ungeduldig. „Wir brauchen sie nicht mehr.“
„Wir brauchen sie nicht?“ Er war außer sich. „Wie kannst du so reden? Kennst du immer nur an dich selbst denken? Wir verdanken ihr, dass unsere Tochter am Leben ist, und sie kann hier bleiben, solange sie will.“
„Peter, das könnte für immer sein!“,
„Gut, dann eben für immer.“
Beth war wie vom Donner gerührt und konnte nichts mehr sagen. Die Nacht verbrachte sie schlaflos.
Starla wuchs zu einem reizenden kleinen Mädchen heran und sprang in den Wäldern herum; als ob sie mehr dorthin als ins Haus gehörte; und wenn sie vom Spielen hereinkam, dann lief sie meist zu Effie anstatt zu Beth – zu Effie, die ihr vorgesungen hatte und ihr jetzt endlose Geschichten erzählte.
Für Starla füllte Effie die Wälder mit Spielgefährten. Ein kleiner Mann, der in einem hohlen Baum wohnte, konsumierte Dutzende von Starlas Sandkuchen, und häufig war dieser Mr. Squinch schuld, dass sie zu spät zum Essen kam.
Wenn Beth ihr Vorwürfe machte, sah Starla sie mit großen Augen an und sagte ernsthaft: „Mr. Squinch redete und redete, und es wäre unhöflich gewesen, zu gehen. Es ging ihm nicht gut.“
„Vielleicht ist ihm sein Essen nicht bekommen“, meinte Peter.
Starla musterte ihren Vater überlegen. „Es ist das Wetter. Dort, wo er herkommt, ist es wärmer.“
„Und wo ist das?“
„Weiß ich nicht. Es ist weit fort.“
„Und wie ist er hierher gekommen?“
„Über den Fluss. Er ist über den Fluss gekommen.“
Peter liebte die Geschichten seiner Tochter und hätte Sich die ganze Mahlzeit hindurch mit ihr über Mr. Squinch unterhalten können, wenn Beth nicht zum Essen gemahnt hätte. Begriff er denn nicht, dass ihr Benehmen unnatürlich war? Sah er denn nicht, wie abwesend diese dunklen Augen dreinblickten, wenn sie redete?
Natürlich nicht. Er war von allem, was sie sagte oder tat, entzückt, und Starla konnte einfach alles bei ihm erreichen.
Beth hätte gern noch ein Kind gehabt, aber Peter war so erfüllt von Starla, das sie bezweifelte, dass er je noch ein zweites haben wollte. Sie war eifersüchtig auf Effie. Konnte sie auch auf Peter eifersüchtig sein?
Beth und Starla spielten im Garten mit einem großen weiß-roten Gummiball. Starla gab dem Ball einen Stoß.
„Geh zu Mummie, Ball!“
„Warum redest du denn mit dem Ball. Starla?“
„Wie sollte er denn sonst wissen, wo er hingehen soll?“
„Das ist Unsinn. Bälle können nicht hören, was du
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