008 - Im Bann der Hexe
konnte.
Retten wovor? Sie hätte es nicht zu sagen vermocht. Sie wusste nur, dass sie fliehen musste; fliehen auch vor diesem scheußlichen Geruch, der aus dem Ofen kam. War die Puppe denn immer noch nicht verbrannt?
Der Gestank folgte ihr die Treppe herauf, und ihr wurde übel. Der Magen drehte sich ihr um. Anstatt ins Kinderzimmer, torkelte sie ins Schlafzimmer, wo sie, von einem Weinkrampf geschüttelt, aufs Bett fiel. Schließlich musste sie sich wohl in den Schlaf geweint haben. Im Traum hörte sie über das Heulen des Windes und das Rascheln trockener Blätter hinweg weit entfernte Stimmen und Peter ihren Namen rufen. Sie stöhnte und wälzte sich herum, während sich die verknäulten Laken wie Schlangen um ihren Körper wanden. Und immer wieder waren da die Hufschläge eines galoppierenden Pferdes. Es klang wie entferntes Donnergrollen.
Dann kam der Morgen, und die Sonne schien durchs Fenster.
„Peter?“
Erschöpft setzte sie sich auf. Er war nicht da, und sein Bett war unberührt. Wahrscheinlich hatte er unten im Wohnzimmer geschlafen.
Mühsam erhob sie sich. Sie musste sich beeilen, damit Starla und sie fort waren, bevor Peter aufwachte.
Rasch bürstete sie sich das Haar, fuhr mit einem Lippenstift über den Mund, warf ein paar Kleider und etwas Unterwäsche in den Koffer und schlich dann ins Kinderzimmer.
Starla schlief friedlich unter einer rosa Decke. Beth betrachtete ihr Kind und das Herz tat ihr weh, aber sie hatte keine Zeit für Sentimentalitäten. Sie durchquerte das Zimmer, um ihre Tochter aus dem Bett zu heben, aber dazu kam sie nicht mehr.
Sie schrie. Sie wusste nicht mehr wie oft und wie lange sie schrie.
Hinter dem Kinderbett lag Peter auf dem Boden, sein Körper eine verstümmelte rote Masse. Alles war rot. Er lag unter
Abaddons blutverkrusteten Hufen.
Sie ging auf das Biest los und hämmerte mit den Fäusten sinnlos auf dem Gipskopf herum. Dann stürzte sie mit blutverschmierten Händen, immer noch schreiend, zur Tür.
Auf dem Treppenabsatz blieb sie stehen und starrte hinunter in Effies Gesicht.
Die Verhandlung war kurz. Das Verbrechen war leicht zu rekonstruieren. Effie Saxon sagte aus, es hätte Streit gegeben, sie hätte ihn gehört. Beth Mitchell hätte gedroht, Peter mit dem Kind zu verlassen. Die Staatsanwaltschaft schloss daraus, dass Peter ins Kinderzimmer gegangen war, um den Raub der Tochter zu verhindern. Nur Beth konnte ihn umgebracht haben. Es passte alles logisch zusammen. Sogar ihr gepackter Koffer diente als Beweismaterial. Nur die Mordwaffe fehlte.
Effie Saxon hatte keine Schwierigkeiten gehabt, ihr „Hexenkind“ zugesprochen zu bekommen. Beth und Peter hatten keine Verwandten, die irgendwelche Rechte geltend machten, und das Kind selbst hatte sich weinend in die Arme der Kinderfrau gestürzt.
Beth hatte in der Anstalt nur ein Ziel vor Augen gehabt: Ihre Tochter zurückzubekommen.
Anfangs hatte sie sich zu erinnern versucht, was in der Nacht vor Peters Tod wohl geschehen war, aber alle ihre Bemühungen blieben erfolglos, und schließlich redete sie sich ein, selbst zu glauben, dass sie einen Mord begangen hatte.
Groteskerweise wünschte sie sich sogar, dass das Entsetzliche wirklich geschehen sein möge, denn dann gab es wenigstens keine Zweifel mehr, die sie um den Verstand brachten.
Sie wollte sich nicht durch Mrs. Hillburtons Absage aus der Fassung bringen lassen. Am Tag danach hatte sie sich intensiv mit dem Kostüm für Lindas Geisterparty beschäftigt.
Sie wollte als Dolley Madison kommen. In den Schränken bei Gibson hatte sie ein herrliches Empirekleid gefunden, das sie auf die Idee gebracht hatte. In ein paar Stunden war das Kleid für Beths Figur geändert und die passende Schuhe nach dem Porträt der Dame dazu angefertigt.
Die Arbeit machte Spaß, und sie hatte den Anlass dazu schon fast vergessen, als Marq den Kopf hereinsteckte und fragte, was sie eigentlich da machen würde.
„Ach, nichts Besonderes. Linda Hillburton gibt ein Kostümfest, und ich will das hier anziehen.“
Aber er war mit der Auskunft, dass Linda ein Kostümfest gab, nicht zufrieden. Er wollte wissen, was für eins, und als sie es ihm sagte, runzelte er die Stirn.
„Beth, willst du da wirklich hingehen? Du musst doch nicht.“
„Ach Unsinn! Es ist ja nur ein Fest. Es wird mir nichts schaden.“
„Mit wem gehst du denn hin?“
„Mit niemand. Ich gehe allein. Das ist ganz in Ordnung.“
„Nein, das ist es nicht“, erwiderte er. „Ich werde
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