008 - Labyrinth des Todes
hundertprozentig auf Coco zutrifft.«
Ich beugte mich vor und fuhr mit der Zunge über meine trockenen Lippen. »Ich fliege nach Hongkong«, sagte ich.
»Damit habe ich gerechnet«, erwiderte der O. I. »Ein Bote ist mit dem Flugticket zu Ihnen unterwegs. Die Maschine startet in zwei Stunden.«
»Ich rufe Sie später an.« Ich legte den Hörer auf, schloß die Augen und lehnte mich zurück. Irgendwie konnte und wollte ich nicht glauben, daß Coco tot war. Meine Hände zitterten. Ich hatte den O. I. zu fragen vergessen, wie Coco gestorben und was die Todesursache gewesen war. Plötzlich spürte ich Chapmans winzige Hände, die über meine rechte Hand glitten. Ich öffnete die Augen und sah ihn an. Sein winziges Gesicht war verzerrt, und Tränen rannen über seine Wangen.
»Coco ist tot?« fragte er leise. Ich nickte und wandte den Kopf ab, schob seine Hände zur Seite und stand auf, um für einige Minuten allein zu sein – allein mit meinen Gedanken an Coco.
Die Maschine landete um elf Uhr zweiunddreißig auf dem internationalen Flughafen Hongkongs, Kai Tak, der etwa sechs Kilometer nördlich von Kowloon liegt. Während des Fluges hatte ich vergeblich zu schlafen versucht. Ich hatte einige Schlaftabletten geschluckt, doch auch die hatten mir nicht geholfen. Meine Gedanken ließen sich nicht beruhigen.
Über die näheren Umstände von Cocos Tod war nichts bekannt. Der O. I. hatte versprochen, mir etwaige neue Nachrichten sofort ins Hotel schicken zu lassen.
Ich fühlte mich scheußlich, war hundemüde, und mein Hals und Rachen brannten von den unzähligen Zigaretten, die ich geraucht hatte. Mit dem Strom der Passagiere wanderte ich durch Zoll und Abfertigung. Ich bekam mein Gepäck ausgehändigt und nahm mir ein Taxi. Der Fahrer fuhr den Highway entlang, der Kai Tak mit dem Unterwassertunnel bei Hung Hom verbindet und der unter dem Hafen nach Victoria führt, dem Banken-, Einkaufs- und Touristenzentrum der Stadt.
Während der Fahrt zum Hong Kong Hilton blickte ich angeregt aus dem Fenster. Viel hatte sich seit meinem letzten Besuch nicht verändert. Der Straßenlärm war ohrenbetäubend wie immer. Der Taxifahrer drängte sich rücksichtslos durch den Verkehr, überholte vorschriftswidrig eine Straßenbahn und fuhr wie ein Verrückter weiter. Ich atmete erleichtert auf, als er endlich vor dem Hotel in der Garden Road stehenblieb. Ich zahlte und ließ mein Gepäck in die Halle bringen.
Der O. I. hatte für mich ein Zimmer bestellt. Mit dem Zimmerschlüssel wurde mir gleichzeitig ein Briefumschlag überreicht, den ich in die Tasche steckte. Mein Gepäck wurde aufs Zimmer gebracht. Ich ging in eine der Bars und bestellte einen Kaffee, steckte mir eine Zigarette an und holte den Briefumschlag aus der Tasche. Ich legte ihn vor mir auf den Tisch und starrte ihn an. Der Kaffee wurde serviert. Er war heiß und weckte meine Lebensgeister. Endlich riß ich das Kuvert auf.
Todesursache von C. Z. unbekannt , las ich. Mike Lundsdale wohnt Shing Wong Street 6.
Ich knipste mein Feuerzeug an und verbrannte Briefumschlag und Zettel im Aschenbecher, was mir einen mißbilligenden Blick des Kellners eintrug. Dann lehnte ich mich zurück und dachte nach. Der O. I. hatte wieder einmal verdammt rasch gearbeitet. Es war ihm innerhalb von vierundzwanzig Stunden gelungen, Lundsdales Adresse herauszubekommen. Ich würde mir diesen Kerl sofort vornehmen. Er mußte über Cocos Tod Bescheid wissen.
Ich fuhr mit dem Aufzug in mein Zimmer, bestellte ein Bier, schlüpfte aus der Jacke, öffnete meine Koffer und fing mit dem Auspacken an. Ein chinesischer Kellner brachte das Bier, und ich gab ihm zwei Hongkong-Dollar. Er verbeugte sich grinsend, und ich trank einen Schluck. Das Bier war kalt und schmeckte gut.
Als ich mit dem Auspacken fertig war, schlüpfte ich aus den Kleidern und ging ins Bad. Dort drehte ich den Duschhahn an. Das eiskalte Wasser jagte mir eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken. Ich blieb mehr als zehn Minuten unter dem Wasserstrahl stehen und versuchte, an nichts zu denken, was mir aber nicht gelingen wollte. Immer wieder stahl sich Cocos Bild vor mein geistiges Auge. Ich wollte es noch immer nicht glauben, daß sie tatsächlich tot sein sollte. Sorgfältig trocknete ich mich ab und blieb vor dem Spiegel stehen. Mein Gesicht gefiel mir nicht besonders; es wirkte eingefallen, war grau, und dunkle Ringe zeichneten sich unter den Augen ab. Ich rasierte mich und putzte mir die Zähne. Dann setzte ich mich aufs
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