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0085 - Der Feuergötze

0085 - Der Feuergötze

Titel: 0085 - Der Feuergötze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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was wir tun sollen. Die Treuesten deiner Treuen bitten dich, o Herr: Gib ihnen ein Zeichen!«
    Baalyaton wartete. Die Priester und die geweihten Frauen standen im Halbkreis hinter ihm. Ihrer aller Augen hingen gebannt am Ebenbild ihres Herrn.
    Und der Gott gab zu erkennen, daß er die Bitte gehört hatte!
    In seinen goldenen Augen erschien ein Leuchten, das sich sofort wieder verlor.
    Baalyaton atmete befreit auf. Der Herr Baal-Hammon würde ihnen ein Zeichen geben.
    ***
    Ahlem war tief beunruhigt. »Ich mache mir Sorgen um ihn«, sagte sie, »die allergrößten Sorgen.«
    Ihre Mutter blickte von dem Buch auf, in dem sie las. Ein harter Zug trat in ihr frühzeitig verbrauchtes Gesicht.
    »Du brauchst dir um deinen Vater keine Sorgen zu machen, mein Kind«, antwortete sie ohne jede Wärme. »Niemand braucht sich um deinen Vater Sorgen zu machen. Sidi Ahmed ben Chedli sorgt sich schon um sich selbst!«
    »Ich weiß«, seufzte Ahlem, »ich weiß, daß er oft ein hartherziger, selbstsüchtiger Mensch ist, der die Menschen ausnützt und auch über Leichen geht, wenn er seinen Vorteil davon hat. Ich weiß auch, daß er dich nicht immer so behandelt, wie ein Mann seine Frau behandeln sollte. Aber all dies spielt keine Rolle. Ich bin seine Tochter, und ich liebe ihn!«
    »Es ist die Pflicht einer Tochter, ihren Vater zu lieben«, sagte ihre Mutter ironisch.
    »Mutter, sei nicht so hart! Vater hat Probleme, schwerwiegende Probleme. Er hat… hat etwas Unrechtes getan!«
    »Nicht möglich!«
    Ahlem ließ sich durch die Bitterkeit der älteren Frau nicht irritieren.
    »Er hat einem Mann etwas wegnehmen lassen. Irgendein Amulett, einen Zaubergegenstand.«
    »Einen Zaubergegenstand?«
    »Ja, ich bin ganz sicher. Er hat es wegen dieses unseligen, verschütteten Götzentempels getan, der ja förmlich zu einer fixen Idee bei ihm geworden ist. Und jetzt…«
    »Ja?«
    »Ich fürchte, es ist ihm mit Hilfe dieses Amuletts gelungen, an diesen Tempel heranzukommen. Jedenfalls ist da jetzt ein Loch in der Geröllwand.«
    »Wie schön für deinen Vater!«
    »Es interessiert dich nicht, Mutter?«
    »Nein, es interessiert mich nicht! Mit irgendwelchen Spuktempeln will ich nichts zu tun haben. Und was dein Vater macht, ist mir vollkommen gleichgültig.«
    Langsam wurde Ahlem ärgerlich. »Es sollte dir aber nicht gleichgültig sein! Es ist auch die Pflicht einer Frau, ihren Mann zu lieben. Und er braucht jetzt Hilfe. Ich habe das Gefühl, daß er Geister gerufen hat, die er jetzt nicht wieder los wird. Er war heute nachmittag stundenlang weg. Und jetzt ist er irgendwie… anders.«
    »Meinst du, weil er jedermann verboten hat, in den rückwärtigen Teil des Gartens zu gehen?«
    Ahlem war völlig überrascht. Das wußte sie ja noch gar nicht.
    »Er hat verboten… Aber warum denn, um Allahs willen?«
    »Steinschlaggefahr«, antwortete die ältere Frau. Das Thema war für sie beendet. Sie griff wieder nach ihrem Buch und beachtete ihre Tochter nicht weiter.
    Sehr nachdenklich verließ Ahlem das Boudoir ihrer Mutter.
    Steinschlaggefahr! Das war ja lächerlich. Wollte er etwas verbergen? Dieses Loch in der Geröllwand gab ihr schwer zu denken.
    Sie suchte ihren Vater, fand ihn schließlich in der Bibliothek. Er hatte jedoch kein Buch in der Hand, sondern starrte nur geistesabwesend an die holzgetäfelte Decke.
    »Vater!«
    Erst als sie ihn zum drittenmal anrief, blickte er auf. In seinen Augen lag ein merkwürdiger Ausdruck, ein Ausdruck, wie ihn Betrunkene manchmal haben.
    »Hast du ein paar Minuten Zeit für mich, Vater?«
    »Ich habe immer Zeit für meine Tochter.«
    Sie setzte sich in einen ledernen Ohrensessel ihm gegenüber. Fest blickte sie ihn an.
    »Vater, willst du mir nicht sagen, was los ist?«
    »Was soll los sein, Ahlem?«
    »Mit diesem Tempel, meine ich! Du hast den magischen Vorhang mit Hilfe des Amuletts gesprengt, nicht wahr? Ich habe das Loch in den Felsen gesehen. Du bist hineingestiegen und hast den verschütteten Tempel gefunden. Ist es so?«
    »Du phantasierst, meine Tochter! Ich bin in kein Loch gestiegen und habe keinen Tempel gesehen. Und für das Loch in den Felsen, das dir aufgefallen ist, gibt es eine ganz einfache Erklärung: Ein Erdrutsch. Deswegen habe ich auch den hinteren Teil des Gartens sperren lassen. Die Gefahr, daß jemand von fallenden Steinen getroffen wird, ist zu groß. Zufrieden?«
    Einen kurzen Augenblick geriet Ahlem in Versuchung, ihm zu glauben. So überzeugend hatte er gesprochen. Dann aber sah sie

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