0085 - Keiner kann entkommen
Phil eng an die Wand und machte sich sprungbereit.
Als der Hut über der obersten Stufe erschien, knallte Wright auch schon los. Im gleichen Augenblick sprang Phil auf und drückte ab. Er mußte in den völlig dunklen Flur der ersten Etage hineinschießen und verfehlte sein Ziel. Aber noch bevor er ein zweites Mal abdrücken konnte, hörten wir jenes metallische Geräusch, das entsteht, wenn jemand mit einer ungeladenen Pistole schießen will.
Der Gangster hatte sich verschossen!
»Los!« brüllte ich.
Wir stürmten in die Finsternis, an die sich unsere Augen nur allmählich gewöhnten. Nach sechs, sieben Schritten flog uns etwas entgegen. Ich duckte mich noch rechtzeitig weg, aber neben mir hörte ich Phil stöhnen. Ich hatte keine Zeit, mich sofort um ihn zu kümmern, denn zwei Yards vor mir sah ich einen dunklen Schatten in eine offenstehende Tür huschen.
Bevor er die Tür zubekam, war ich schon da und über die Schwelle. Durch ein großes Fenster fiel soviel Licht, daß man endlich wieder vernünftig sehen konnte. Vor mir stand Buck Wright und warf mir eine Schüssel aus schwerem Porzellan von einem Toilettentisch entgegen. Ich sprang zur Seite. Krachend dröhnte das schwere Gefäß hinter mir gegen die Wand.
Mit dem nächsten Sprung war ich am Mann. Er empfing mich mit einem schlecht gezielten Kinnhaken, der mir aufs linke Schlüsselbein knallte. Eine rote Schmerzwelle brauste durch meinen Körper. Aber bevor er zum nächsten Schlag kam, hatte ich ihm die geballte Rechte in die Brustgrube gesetzt.
Wright wurde fahl im Gesicht und rang nach Luft. Mein linker Arm hing bewegungslos herab, als ob er gar nicht zu mir gehörte. Ich holte aus, täuschte einen Leberhaken, den er abdecken wollte, indem er sich Zusammen krümmte, riß die Faust höher und erwischte ihn am Kinn, aber nicht genau auf dem Punkt.
Er wurde nach hinten geworfen und kam ins Taumeln. Ich sprang nach, holte noch einmal aus und setzte ihm die Handkante genau an die richtige Stelle.
Wie eine gefällte Eiche stürzte er in sich zusammen. Ich kniete nieder, drehte ihm die Hände auf den Rücken und hakte ihm die Handschellen um die Armgelenke.
Der Mörder von Kansas City war gefangen.
***
Nachdem wir uns bei den Kollegen von der Stadtpolizei bedankt hatten, fuhren wir zurück zum Districtsgebäude. Buck Wright saß fluchend zwischen Phil und meiner Wenigkeit.
Phil hatte die von dem Gangster geworfene, leergeschossene Pistole genau vor die Stirn bekommen. Er war für ein paar Sekunden ohnmächtig geworden, hatte jetzt eine kleine Platzwunde auf einer großen Beule und fühlte sich doch schon wieder ziemlich wohl. Man mußte es jedenfalls aus dem grimmigen Grinsen schließen, mit dem er den Gangster hin und wieder musterte.
Im Districtsgebäude ließen wir von den Kollegen den Erfolg der Aktion melden. Wir selbst gingen in eines der Vernehmungszimmer und setzten Buck Wright auf den Stuhl vor den Schreibtisch.
Unsere Vernehmungszimmer für schwere Jungens zeichnen sich durch spartanische Einfachheit aus. Weiße, gekalkte Wände ohne den geringsten Schmuck, ein Waschbecken mit einem Glas zum Trinken, ein Schreibtisch mit Tonbandgerät und Haustelefon und ein paar Stühle. Dazu zwei Scheinwerfer, damit man den Verhörten genau beobachten kann. Manchmal sagt einem die plötzliche Veränderung in den Gesichtszügen eines befragten Gangsters mehr als seine Antworten.
Buck sah sich neugierig um. Offensichtlich schien ihm diese Umgebung überhaupt nicht zu gefallen. Er rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Wenn er eine zu heftige Bewegung machte, verzog er schmerzlich sein Gesicht.
Wir schalteten die Scheinwerfer ein und setzten uns. Phil reichte mir eine Zigarette herüber. Ich gab ihm und mir Feuer. Schweigend rauchten wir.
Je länger wir schwiegen, desto nervöser wurde Buck. Er war kein Gangster mit großen seelischen Reserven. Auch von der intelligenten Sorte war er nicht. Er gehörte höchstens zur dritten Garnitur. Ein wenig verschlagen, aber nur ein wenig, dafür brutal, faul und feige, sobald er sich nicht in einer klaren Übermacht befand oder nicht wenigstens die überlegenen Waffen hatte — das war Buck Wright.
Nach einer Weile hielt er es nicht mehr aus.
»Nun fangt doch endlich an!« rief er. »Verdammt, worauf wartet ihr denn eigentlich?«
Wir sagten keinen Ton.
Er kaute nervös auf seiner Unterlippe.
Tödliche Stille lag im Vernehmungszimmer. Nur Wrights etwas heftiges Atmen unterbrach das Schweigen.
Wieder
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