0085 - Tigerfrauen greifen an!
sahen aus wie Wächter, trotz der gelangweilten Gesichter. Als sie uns sahen, wurde ihre Haltung plötzlich gespannt. Jetzt war ich mir sicher, einige aus der vergangenen Nacht unter ihnen zu sehen.
Die Fensterscheiben im Erdgeschoß waren von innen mit grauer Farbe überpinselt worden, so daß niemand hindurchschauen konnte. In Höhe der ersten Etage gab es zwei kleine Balkons, auf denen man kaum stehen konnte.
Die Tür sah schmal aus.
Ich ging darauf zu.
Nach zwei Schritten blieb ich stehen. Plötzlich versperrten vier Chinesen den Eingang. Sie trugen Jeans und Lederjacken. Zwei von ihnen hatten ihre Hände unter die Jacken geschoben. Dort umklammerten ihre Finger sicherlich keine Dauerlutscher.
Die Atmosphäre verdichtete sich innerhalb voji Sekunden. Hinter mir hörte ich Suko scharf atmen.
»Wohin?« fragte der Mann, den ich direkt vor mir sah.
»Zu Ernesto Tse.«
»Bist du angemeldet?«
»Ich bin Polizeibeamter«, erwiderte ich, griff in die Tasche, und im selben Moment zogen die beiden Kerle ihre Hände unter den Jacken hervor.
Ihre Finger umspannten die Griffe gekrümmter Dolche.
Ich lächelte kalt, zog langsam die Hand hervor und hielt meinen Ausweis so, daß man die Schrift lesen konnte.
»Noch Fragen?« erkundigte ich mich scharf.
Der Kerl, der mich angesprochen hatte, sagte: »Warten Sie einen Augenblick.«
Mit der Hacke stieß er die Tür auf und vorschwand.
Die anderen ließen die Waffen sinken. Dann steckten sie die Dinger weg.
Wir warteten, denn ich wollte keinen unnötigen Wirbel veranstalten. Nach einer Minute wurde die Tür wieder aufgezogen, und wir durften eintreten.
Suko und ich betraten eine andere Welt. Eine Welt, die ich nie hinter der schäbigen Eingangstür vermutet hätte.
Die Wände des Flurs waren mit Stofftapeten bespannt. Sie zeigten Motive aus der chinesischen Historie. Ich sah prunkvolle Schlösser, kämpfende Hexenscharen, die auf rassigen Pferden wie die Wilde Jagd durch die Wüste sprengten. Dann wieder wurde mein Blick von Bildern gefesselt, die aus der chinesischen Mythologie stammten. Geister, Ungeheuer, mutierte Menschen, manche mit mehreren Armen und Tierköpfen, gaben sich ebenso ein Stelldichein wie Prinzen, schöne Frauen, Könige und Zwerge.
Eine verwirrende Vielfalt strömte auf mich ein, und ich wischte mir unwillkürlich über die Augen, da die Farbenpracht der Bilder mich fast schockartig traf.
Suko stieß mich an, und ich erwachte wie aus einem Traum. »Willst du einschlafen?« fragte er.
»Nein, das nicht.«
Wir wurden durch den Flur geführt, erreichten eine Tür, die auf Knopfdruck zurückglitt, und vor uns lagen die Gemächer des Ernesto Tse.
Von Dali, dem Maler, hatte ich mal gelesen, daß er in einem runden Raum lebte.
Tse machte es ihm nach.
Sein Büro war rund.
Und in der Mitte thronte er.
Ein Zwerg!
Das erkannte ich, obwohl er auf einem pechschwarzen Kissen saß und um sich herum zahlreiche Telefone aufgebaut hatte.
»Die Herren von der Polizei«, meldete der Mann, der uns gebracht hatte.
»Es ist gut. Du kannst gehen!«
Der Bote zog sich zurück.
Ernesto Tse aber winkte mit seinem bleistiftdünnen Zeigefinger. »Treten Sie doch näher, Gentlemen, und ich freue mich, einen Landsmann von mir zu sehen.«
»Nicht ganz«, erwiderte Suko. »Sie sind Halbchinese.« Mein Partner wollte nicht mit Tse in einen Topf geworfen werden. Da hatte er seinen Stolz.
Tse lachte. Doch es klang keineswegs freundlich, sondern kalt und abgehackt.
Er war nicht allein, rechts und links seines »Throns« hockten zwei Sekretärinnen an normalen Schreibtischen und vor ganz normalen Schreibmaschinen. Die Mädchen waren geschminkt, westlich gekleidet und ausnahmslos hübsch.
Aber auch sie schickte Tse weg.
Wir waren mit ihm allein.
Suko und ich schritten auf ihn zu. Die Atmosphäre des Raumes zog mich an und stieß mich gleichzeitig ab. Ein süßlicher Duft hing in der Luft.
Opium!
Überall wurde Opium geraucht. Die Leute aus dem fernen Osten empfanden es nicht als Rauschgift.
Dort, wo der Parkettboden nicht von wertvollen Teppichen bedeckt wurde, glänzte er wie ein Spiegel. Die runden Wände schillerten golden, den die Bespannung war mit Goldfäden durchwirkt. Die Lichtquellen waren hinter Seidenschirmen versteckt, und gleichzeitig empfand ich die moderne Hausbar als Schlag ins Gesicht. Sie paßte einfach nicht in den Raum. Ebensowenig wie die Telefone, der Fernschreiber oder das moderne Diktiergerät.
Zwei Schritte vor dem Thron blieben wir
Weitere Kostenlose Bücher