0088 - Der Friedhof des Schreckens
zogen ihre Straßenanzüge an.
Ich überlegte, ob es sinnvoll war, die Schranktür aufzureißen und die lebenden Leichen anzugreifen.
Bevor ich mich entscheiden konnte, hämmerte eine Faust gegen die Tür. Kevin Siegel betrat die Garderobe.
Grimmig kniff er die Augen zusammen. »Ich habe Sinclair und Conolly im gesamten Komplex der Chelsea Hall gesucht, konnte sie jedoch nicht finden. Vermutlich haben sie sich aus dem Staub gemacht.«
»Das ist nicht gut«, sagte einer der Untoten mit hohler Stimme.
»Natürlich ist das nicht gut!« stieß Kevin Siegel ärgerlich hervor. »Sinclair gehört nicht zu den Typen, die sich freuen, mit heiler Haut davongekommen zu sein und einfach nach Hause zu gehen. Er wird zurückschlagen. Möglicherweise alarmiert er in diesem Moment ganz Scotland Yard. Wir müssen schnellstens aus der Chelsea Hall raus.«
»Heißt das, wir geben morgen kein Konzert mehr?«
»Morgen«, sagte der Manager und winkte ab. »Bis morgen kann vieles passiert sein. Morgen lebt Sinclair vielleicht schon nicht mehr. Wir werden jedenfalls mit ganzer Kraft auf dieses Ziel hinarbeiten.«
»Uns was tun wir heute?«
»Wir werden uns nicht in unser Hotel zurückbegeben, denn dieser Aufenthaltsort ist allgemein bekannt«, sagte Kevin Siegel.
»Warum benützen wir nicht die möblierte Vierzimmerwohnung, die du von einem Strohmann mieten ließest?«
Der Manager nickte. »Genau das wollte ich vorschlagen. Bis auf weiteres werden wir Elystan Street 61 wohnen. Seid ihr fertig? Können wir gehen?«
Die Untoten begaben sich mit ihrem Manager zur Tür.
Kevin Siegel bleckte die Zähne. »Wir werden alles daransetzen, um zu erreichen, daß Kelett auch die Seelen von John Sinclair und Bill Conolly bekommt. Heute, um Mitternacht, wird Kelett die blonde Frau töten und damit zu seiner willenlosen Dienerin machen. Ich finde, wir können trotz allem mit dem Lauf der Dinge zufrieden sein. Es entwickelt sich alles bestens.«
»Die Macht der Hölle möge uns weiterhin beistehen«, knurrte einer der Untoten.
»Das wird sie«, sagte Kevin Siegel überzeugt. »Das wird sie ganz bestimmt.«
Sie verließen die Garderobe.
Ich hörte Bill aufgeregt neben mir hüsteln.
»Hast du das gehört, John?« fragte er nervös.
»Klar. Ich hab’ ja nichts mit den Ohren.«
»Kelett wird Sheila töten – und diese fünf Höllenbastarde werden Jagd auf uns machen!«
»Noch sind wir ihnen gegenüber im Vorteil, Bill.«
»Das wage ich stark zu bezweifeln!«
»Sie haben keine Ahnung, wo wir uns befinden. Wir kennen jedoch den Ort, wo sie sich verstecken: Elystan Street 61!«
»Und was ist damit gewonnen?«
»Noch nichts«, mußte ich zugeben.
»Wir wissen immer noch nicht, wo sich der Friedhof des Grauens befindet, John! Die Gefahr wird für Sheila immer größer. Wir hätten diese Kerle nicht weggehen lassen dürfen.«
»Hättest du dich mit allen fünf anlegen wollen?«
»Wäre das nicht immer noch besser gewesen, als Sheila ihrem furchtbaren Schicksal zu überlassen?«
»Wir müssen versuchen, eine dieser fünf Teufelsmarionetten zu erwischen«, sagte ich. »Wenn uns das gelingt, können wir ihn mit Hilfe meines Kreuzes zwingen, uns zu sagen, was wir wissen müssen.«
»Dazu reicht die Zeit nicht, John.«
»Sie muß reichen«, sagte ich und schob die Schranktür auf. Mein Blick fiel auf die Horroranzüge, die die ›Hot Devils‹ getragen hatten. Leblose Häute waren das jetzt nur.
Waren sie das wirklich?
Ich trat aus dem Schrank. Die Musiker hatten das Licht nicht ausgeschaltet. Der Schein der Deckenleuchte überzog die Anzüge mit einem lebendigen Glanz. Bill sprang neben mir aus dem Einbauschrank.
Ich witterte Gefahr. »Still!« flüsterte ich. »Beweg dich nicht!«
»Was ist denn jetzt schon wieder?«
»Die Anzüge!« Bills Blick richtete sich auf sie, und nun sah auch er, war mir vor wenigen Sekunden aufgefallen war: Die Brustkörbe der Horroranzüge hoben und senkten sich. Die Masken schienen zu atmen. Alle vier!
Bill und ich bemerkten, wie sich die Anzüge mit dem Atmen gewissermaßen selbst aufpumpten. Die schlaffen Häute spannten und strafften sich. Die Gruselfiguren hoben ihre schrecklichen Köpfe. Leben kam in die finsteren Augen, die uns mit einemmal feindselig anstarrten. Noch hingen die Anzüge am Kleiderständer. Doch in der nächsten Sekunde schnellten sie davon herunter. Die schwarzmagischen Anzüge waren zu dämonischem Leben erwacht, waren zu satanischen Wesen geworden, die uns nach dem Leben
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