0089 - Die Werwolf-Insel
Aus seiner Tasche nahm er eine Flasche mit einer dunklen Flüssigkeit. Wir wurden dazu gezwungen, von dieser Flüssigkeit zu trinken. Nachdem jeder von uns einen großen Schluck genommen hatte, war die Flasche leer. Jetzt erst lüftete van Cleef das Geheimnis dieses Tranks. Es war eine Mischung aus einem Kräuteressenz und Wolfsblut. Und van Cleef sagte, daß der Keim der Werwölfe uns jetzt infiziert hätte. Wir könnten nichts mehr machen, wir würden den Keim in uns tragen, und er würde sich sogar vermehren. Ihm sei es fast auch so gegangen. Nur sei er von einem Wolf gebissen worden.«
Die Geschichte klang zwar sehr fantastisch, aber ich glaubte sie Hiller trotzdem.
»Weiter«, forderte ich ihn auf.
»Keiner von uns hat das richtig geglaubt, was er uns gesagt hatte. Wir hielten es eher für einen Scherz, für einen gelungenen Soldatenstreich, doch wir wurden eines Besseren belehrt. Ich merkte, wie ich mich veränderte. Ich wurde aggressiv und mir machte es plötzlich Spaß, andere zu quälen. Aber auch körperlich wurde ich ein anderer. Mir wuchsen dunkle Haare. Es wurden immer mehr. Schließlich bedeckten sie meinen Körper wie ein Fell. Und ich merkte, daß ich das Tageslicht nicht mehr so vertragen konnte, und daß ich immer mehr die Eigenschaften eines Wolfs annahm. Ich konnte mich gut in ihre Lage versetzen, ja, ich wollte so werden wie sie. Bei Vollmond saß ich am Fenster und blickte hoch zum dunklen Himmel. Der Mond war für mich der Inbegriff der Kraft, ich betete ihn an, er gab mir das, was ich brauchte. Den anderen erging es ebenso. Wir trafen uns heimlich in der Nacht, um über unsere Pläne zu sprechen.«
Ich unterbrach den Mann. »Wann findet der nächste Treff statt?«
Er schaute mich an. »Bald schon, sehr bald…«
»Wann?«
»In der folgenden Nacht!«
Das hatte ich nur hören wollen. Und ich war sicher, daß ich in der nächsten Nacht dabeisein würde.
Nur wo trafen sie sich?
Ich fragte danach und bekam auch die Antwort. »Dort wo die Küste und der Wald zusammenlaufen. Da ist ein schmaler Strand, und der Mond scheint dort besonders stark.«
Ich nahm meine Sachen vom Bett und zog mich an. Das Kreuz hängte ich über den Kopf. »Die Wölfe sind tot«, sagte ich beiläufig.
Buck Hiller sprang vom Bett hoch. »Nein«, ächzte er.
»Doch.« Ich nickte.
»Dann ist alles aus«, jammerte er und schlug die Hände vor sein Gesicht.
»Sie hatten mich töten wollen«, erklärte ich ihm.
»Nein, Sinclair, Sie wollten dich bestimmt nicht töten. Du solltest nur so werden wie sie, das ist alles.«
»Darauf kann ich verzichten!«
»Aber jetzt ist alles vorbei!« schrie er.
»Warum?«
»Wir können nicht mehr zurück! Wenn die Wölfe tot sind, ist auch unsere Chance dahin, denn nur durch sie hätten wir das Serum bekommen, das uns zurückführt zu einem normalen Leben.«
»Wer hat dir das gesagt?«
»Van Cleef!«
Ich mußte laut lachen. »Und ihm glaubst du?«
»Ja.«
»Dann hast du auf das falsche Pferd gesetzt«, erwiderte ich hart.
»Nein!« keuchte er. »Nein, ich glaube ihm. Van Cleef ist stärker als du. Gegen ihn kommst du nicht an. Er wird dich töten, wir werden dich töten!«
Er schrie und tobte, war wie von Sinnen, und mir wurde bewußt, daß er dicht vor einer Metamorphose stand.
Die Verwandlung konnte nicht mehr lange zurückgehalten werden.
Diese Nacht sollte entscheidend werden…
Ich war ratlos, ich wußte nicht, was ich machen sollte. Töten konnte ich diesen Mann nicht. Wären wir in London gewesen, hätte alles ganz anders ausgesehen. Dort war ich zu Hause, dort besaß ich Einfluß, und dort hätte ich den Werwolf einsperren lassen können.
Aber hier?
Nicht einmal flüchtig kam mir der Gedanke, ihn zu töten. Er war noch kein vollendeter Dämon, sondern zu einem großen Teil noch ein Mensch.
Doch vorerst brauchte ich mir keine Gedanken über das weitere Schicksal zu machen, denn plötzlich flog die Tür auf. So heftig, daß sie bis gegen die Wand knallte und wieder zurückgeworfen wurde, um ins Schloß zu fallen.
Aber die kurze Zeitspanne hatte gereicht, die drei Männer ins Zimmer zu lassen.
Zwei davon waren einfache Soldaten.
Buck Hiller stieß einen heulenden Schrei aus. Damit wußte ich, daß auch die beiden Kerle zu den Wölfen gehörten.
Blieb der dritte Mann!
Und das war Sergeant Rapp. Breitbeinig stand er im Zimmer. Die kurzläufige Maschinenpistole der Marke Uzi sah in seinen Fäusten beinahe wie ein Spielzeug aus.
Aber es war keins, das wußte
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