009 - Mordaugen
war,
heraus und verschaffte ihr die Kraft, andere Überlegungen anzustellen.
Sie mußte
fliehen!
Aber wie?
Mit weichen
Knien rutschte sie von der Liege. Der Boden unter ihren Füßen war uneben und
hart.
Linda Pokins
tastete sich an der Wand entlang.
Sie fühlte
die Bilder, die über der Liege an die Wand geheftet waren. Sie nahm kurzerhand
eines herunter, konnte aber in der Dunkelheit nichts darauf erkennen.
Sie war schon
froh, mitzubekommen, daß in dem labormäßig eingerichteten, fensterlosen Keller
ein schwaches, fluoreszierendes Glühen einer Flüssigkeit in einem Glasballon
ihr die Möglichkeit verschaffte, die Umgebung wenigstens schemenhaft
wahrzunehmen. So stieß sie wenigstens gegen kein Regal, gegen kein Gestell und
machte somit nicht vorzeitig auf sich aufmerksam.
Wenn sie eine
Chance hatte, dann wollte sie sie herausfinden und voll nutzen. Merkwürdig, mit
welcher Kaltblütigkeit sie plötzlich ihre Situation sezierte.
Da war ein
Gedanke, der sie nicht mehr losließ.
Sie befand
sich offensichtlich in den Händen eines wahnsinnigen Mörders, den die Polizei
schon seit langem suchte. In den großen Tageszeitungen und Wochenmagazinen, in
Rundfunk und Fernsehen war seit geraumer Zeit die Rede von einer unheimlichen
Verbrechensserie, die die Polizei bis zur Stunde nicht aufklären konnte.
In der
Umgebung von Akersfield waren inzwischen drei oder vier Liebespaare
verschwunden. Die Polizei vermutete, daß sie jenem unbekannten Mörder in die
Hand gefallen waren, über dessen Identität und Mordmethode man nicht mal
Vermutungen auszusprechen wagte.
Rund um
Akersfield gab es viele bewaldete Flächen. Sie waren ein Anziehungspunkt für
Ausflügler, Liebespaare - und möglicherweise auch für den Mörder. Die Fahrzeuge
der Verschwundenen waren bis zur Stunde auch nie wieder gefunden worden.
Alle diese
Dinge gingen Linda durch den Kopf, während sie auf Zehenspitzen zwischen
schmalen Tischen und Gestellen entlangging und sich darauf konzentrierte,
nirgends anzustoßen. Das geringste Geräusch konnte den Unheimlichen anlocken,
und dann wurde ihr Fluchtversuch im Keim erstickt.
Linda Pokins
war über eines froh. Ihr geheimnisvoller Widersacher hatte es nicht für
notwendig gehalten, ihr Fesseln anzulegen. Er hatte auf seine Betäubungsspritze
voll und ganz vertraut.
Diese
Nachlässigkeit konnte ihre Rettung sein, wenn es ihr gelang, das Haus unbemerkt
zu verlassen.
Von all den
gläsernen Behältnissen und Flüssigkeiten, die darin aufbewahrt wurden, verstand
sie nichts. Die Chemie war ihr ein Buch mit sieben Siegeln.
Aber sie
konnte davon ausgehen, daß die Dinge, die hier zusammengebraut wurden, nichts
Gutes bedeuteten.
Ihr Herz
schlug wie rasend, sie war ein einziges Nervenbündel und wußte nicht, ob sie
weinen oder lachen sollte. Sie konnte sich bewegen, nachdenken, darüber war sie
schon froh, und es war ein Grund zur Freude, aber noch immer war sie eingesperrt
in einem fremden, unheimlichen Haus, in dem schreckliche Dinge passierten.
Sie ging
mechanisch den Weg zurück, den sie von dem Entführer getragen worden war, und
stand wenig später vor der massiven Tür, die abgeschlossen war.
Sich dagegen
zu werfen hatte keinen Sinn. Die Tür war aus Eisen, und Linda Pokins war zu
schwach, um Gewalt zu riskieren.
Gab es noch
einen anderen Ausgang?
Sie machte
sich auf die Suche und ging im fluoreszierenden Schein einiger Flüssigkeiten
durch den Kellerraum, in dem es feucht und modrig roch, und seltsam riechende
Gewürze und Chemikalien in ihrem Duft sich daruntermischten.
Linda ging an
der Wand entlang. Und fand eine zweite Tür.
Die war
schmaler, niedriger und aus Holz.
Linda Pokins’
Herz schlug wie rasend, als sie ihre Hand auf die Klinke legte, um zu
versuchen...
Sie öffnete
sich! Nicht verschlossen!
Einen Moment
stand die Frau atemlos und lauschte durch den winzigen Spalt, durch den ein
fernes, schwaches und rötliches Licht fiel. Als ob irgendwo - wie in einer
finsteren Bar - eine einsame rote Birne brenne...
Die Tür zum
Innern des Hauses, vor dem sie Ronald gefunden...
Machtvoll
drängten sich die grausamen Bilder wieder auf, die sie so gern vergessen hätte.
Sie drückte
die Tür noch ein wenig weiter zurück. Vor ihr lag ein finsterer, schmaler Gang.
Das Mauerwerk zu beiden Seiten der Tür war grob und feucht. In einer Nische
lagen auf Metalltabletts chirurgische Instrumente. Es roch nach Karbol und
einem scharfen. Desinfektionsmittel.
Linda Pokins
war einzige, gespannte
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