0090 - Satans Doppelgänger
Stigwood, der die Sachen vorhin abgeholt hatte, war den Angestellten nämlich mit der Behauptung gekommen, daß er die Papiere bedauerlicherweise verlegt habe. Der Widerstand der Angestellten, die Sendung ohne Papiere herauszugeben, war erst dahingeschwunden, nachdem der angebliche Stigwood eine detaillierte Beschreibung des Inhalts der Sendung gegeben und der angebliche Fleming diese bestätigt hatte.
»Sie sind Betrügern aufgesessen«, sagte Stigwood wütend. »Ich mache Sie für den Schaden voll verantwortlich. Ich werde…«
»Nein!« brüllte der erste Angestellte. »Sie werden gar nichts! Ich werde! Die Polizei holen nämlich. Fred…«
»Ich rufe schon an«, sagte sein Kollege.
»Warten Sie«, hielt ihn Bill schnell zurück. »Sie sagen also, daß die Männer, die die Sendung abgeholt haben, genauso aussahen wie wir?«
»Aussahen, Mann? Sie waren es! Schließlich haben Sie sich ja auch zweifelsfrei ausgewiesen. Meinen Sie, wir sind blöde? Der Vogelkopf von dem da…«, der Angestellte zeigte mit dem Daumen auf Chris Stigwood »… ist doch unverwechselbar.«
»Die Männer haben Ausweise vorgelegt?«
»Na klar!«
Bill überlegte kurz. Dann sagte er: »Ich nehme an, Sie haben sich den Empfang der Sendung schriftlich bestätigen lassen?«
»Sicher! Sie, Fleming, haben doch noch als Zeuge unterschrieben.«
»Darf ich die Unterschriften mal sehen?« bat Bill.
»Mann, was soll der ganze Mist…«
»Bitte, Mister!«
»Na schön.« Der Angestellte verschwand für ein paar Augenblicke, kam dann zurück. Er hatte einen Schwung Papiere und eine dicke Kladde bei sich.
»Hier!« Er knallte beide auf den Schalter.
Bill beugte sich über die Unterlagen.
Und erstarrte.
Das waren seine Unterschriften! Gar keine Frage. Die Namenszüge in der Kladde und auf den Frachtzetteln wiesen alle den unverwechselbaren, charakteristischen Kringel über dem ›i‹ auf, den er nicht als Punkt, sondern als nach oben offenen Halbkreis aufs Papier zu zaubern pflegte.
Chris Stigwood hatte die Unterschriften ebenfalls studiert. Er war blaß geworden.
»Verdammt gute Fälschung«, knurrte er.
»Verschwinden Sie jetzt oder soll ich doch die Bullen holen?« wollte der Angestellte wissen.
»Wiedersehen«, sagte Bill. »Und entschuldigen Sie.«
Er packte Stigwood am Arm und zog ihn weg. Der Kunstgewerbehändler protestierte, aber Bill erstickte seine Proteste.
»Seien Sie vernünftig, Chris. Sie sollten inzwischen festgestellt haben, daß einiges nicht stimmt. Denken Sie beispielsweise an den doppelten Schlüsselbund!«
Stigwood sah ihn verständnislos an. »Was hat das damit zu tun?«
»Wenn Sie keine Parallelen sehen, ich schon«, gab Bill zurück. »Wir sind hier in eine ganz verdammte Sache hereingeraten. Ich kann mir jetzt auch vorstellen, wer uns an den Informationsschalter bestellt hat.«
»Sie meinen…«
»Man wollte uns hier vom Frachtgut fernhalten, um in Ruhe die Sendung einkassieren zu können. Was heißt hier Sendung! Im Prinzip ging es doch wohl nur um eins.«
»Und zwar?«
»Um den Spiegel, natürlich«, sagte Bill Fleming. »Oder haben Sie eine andere Erklärung?«
Die hatte Stigwood nicht.
***
Mit einer Taxe ließ sich Bill zu seiner Wohnung im Herzen von Manhattan bringen. Stigwood, der sein Geschäft ebenfalls in Manhattan hatte, aber in Brooklyn wohnte, hatte einen anderen der gelben Wagen genommen.
Während der Fahrt grübelte Bill düster vor sich hin. Die Episode vor dem Frachtgutschalter auf dem Flughafen hatte ihn ziemlich schwer geschockt.
Und nun war auch noch dieser verdammte Spukspiegel verschwunden!
Die Situation wurde irgendwie bedrohlich, das spürte er ganz deutlich. Und ihm fiel eigentlich nur ein einziger ein, der Licht in das geheimnisvolle Dunkel bringen konnte, in das er und Chris Stigwood zu geraten schienen: Professor Zamorra.
Sein Freund aus dem Loire-Tal im fernen Frankreich war Spezialist für Dinge, die sich nicht rationell erklären ließen. Nicht umsonst nannten ihn die Mächte aus der jenseitigen Welt den Meister des Übersinnlichen.
Die Mächte der jenseitigen Welt! Daß es sie gab, wußte Bill aus Erfahrung. Des öfteren bereits war er, meist gemeinsam mit dem Professor, mit ihnen konfrontiert worden. Dämonen, Teufel, Geister — wie man sie auch nennen wollte, sie waren eine Realität. Selbst er, der wissenschaftlich ausgebildete, dem kühlen Verstand folgende Praktiker, hatte seine anfänglichen Zweifel an ihrer Existenz begraben müssen.
Ja, der Professor
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