0092 - Einsatz der Todesrocker
brachte ich einige Worte hervor.
»Habe mich schon mal besser gefühlt.«
»Können Sie aufstehen?«
»Glaube ich kaum.«
»Ich helfe Ihnen«, sagte der Wirt. Er schob seine Hände unter meine Achselhöhlen und hievte mich hoch.
Oh, Kinder, das war eine Tortur. Mein Kopf schien sich in einem Karussell zu befinden, das sich mit rasender Geschwindigkeit drehte und mich wieder in den Schacht hineinziehen wollte. Zusätzlich explodierten noch zahlreiche Raketen in meinem Schädel, und die Stirn schien mir platzen zu wollen.
Der Wirt schleifte mich zu einem Stuhl.
Dort fiel ich auf den Sitz. Die Lehne hielt mich, sonst wäre ich gekippt.
»Bring heißes Wasser, Laura.«
Die Wirtin verschwand.
Ich atmete tief durch. Meine Lungen taten weh, denn auch dort spürte ich noch die Nachwirkungen der Schläge. Es war eine wirklich üble Sache.
Sie hatten mich buchstäblich in die Mangel genommen. Vorsichtig bewegte ich meine Hände und tastete behutsam die Rippen ab. Außer ein paar Prellungen schien ich weitere Schäden nicht davongetragen zu haben. Es war zum Glück nichts gebrochen. Meine Finger fuhren höher, näherten sich dem Brustkorb, und auf einmal fühlte ich etwas Metallenes unter den Kuppen.
Mein Kreuz!
Es lag offen.
Wieso eigentlich?
Erst jetzt schaute ich an mir herab und stellte fest, daß mein Hemd zerfetzt war.
Aber nicht ich hatte es zerrissen, sondern die Rocker. Die Knopfleiste bestand nur mehr aus Stoffetzen.
Der Wirt mußte bemerkt haben, worüber ich nachdachte. Er gab mir auch die Erklärung.
»Ich… ich glaube, Mister, die hätten Sie totgeschlagen. Aber dann riß jemand Ihr Hemd auf, und plötzlich sahen die Kerle das Kreuz. Da war es aus. Sie sprangen zurück und flohen. Sie hatten regelrechte Angst davor.«
Ich lächelte, gab aber keinen Kommentar.
Ich sah den Kampf wieder vor meinem geistigen Auge. Und auch den ersten Teil, der damit geendet hatte, daß der Rockerboß mich erschießen wollte.
Warum hatte er es nicht getan?
Danach fragte ich den Wirt.
»Sie können sich bei dem blondhaarigen Girl bedanken, Mister. Als der Kerl schießen wollte, hat sie einen schweren Aschenbecher geschleudert. Das Ding traf genau in dem Augenblick, als der Killer abdrückte. Der Arm wurde verrissen, die Kugel drang in den Boden. Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen.«
Ich hatte mir schon so etwas gedacht. »Wo ist Lucy Taylor jetzt?« wollte ich wissen.
Das Gesicht des Wirts nahm einen betrübten Ausdruck an. Er biß sich auf die Lippen.
Ich wußte Bescheid.
»Die Rocker haben sie mitgenommen«, erklärte er.
Das war ein Schock. »Beide?«
»Ja. Wir – ich konnte nichts tun. Wirklich nicht, Sie müssen mir glauben…«
»Natürlich, Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich habe ja auch nichts gegen diese Höllenbrut ausrichten können. Und wäre mein Kreuz nicht gewesen, so läge ich jetzt tot auf den Brettern hier.«
Der Wirt schwieg.
Ich aber machte mir Vorwürfe. Hätte ich die beiden Mädchen doch nicht mitgenommen. Aber wer konnte ahnen, daß man mich schon erwartete? Die Aktivitäten meiner Gegner ließen nie nach. Ich hätte doch damit rechnen sollen.
Die Wirtin erschien. Sie trug eine Schüssel mit heißem Wasser und setzte sie neben mich auf den Tisch. Einen Spiegel hatte sie ebenfalls mitgebracht.
Den hielt ich mir vors Gesicht.
Ich erschrak. Himmel, wie sah ich aus! Das war nicht mehr der alte John Sinclair, der mir da entgegensah, sondern ein Fremder.
Mein Gesicht zeigte blaue Flecken. Es gab Platzwunden und blutige Stellen. Zudem war die Oberlippe aufgeplatzt. Als die Wirtin begann, mein Gesicht abzutupfen, hätte ich aufschreien können, denn sie verwendete Jod dazu. Der Schmerz war noch größer als der in meinem Schädel.
Ihr Mann stand an einem der Fenster und schaute nach draußen. »Auf der Straße ist der Teufel los«, meldete er. »Die Leute spielen regelrecht verrückt. Die Teufelsrocker müssen gewütet haben, aber niemand traut sich hinein.«
»Schließen Sie die Tür ab«, sagte ich. »Ich möchte nicht, daß jemand in das Gasthaus kommt.« Im nächsten Moment stöhnte ich auf, als die Wirtin eine besonders empfindliche Stelle berührte.
»Glauben Sie, daß die Mädchen noch leben?« fragte mich der Wirt.
»Ja.«
»Woher nehmen Sie diesen Glauben?«
Darauf gab ich keine Antwort, denn so überzeugt davon war ich auch nicht.
Der Mann sprach nicht mehr weiter über dieses Thema. Seine Frau hatte auch Pflaster mitgebracht. Sie verteilte mehrere
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