0092 - Einsatz der Todesrocker
makaberer. Und für makabre Witze hatte ich im Augenblick wirklich keinen Nerv.
Aber der Wirt sah mir nicht so aus, als würde er einen Scherz machen. Was war nur in ihn gefahren? Er und seine Frau waren doch hilfsbereit gewesen, sie hatten sich mehr um mich gekümmert, als das ein normaler Mensch getan hätte. Irgend etwas mußte eingetreten sein, was sein Verhalten von Grund auf geändert hatte.
Der kalte Mündungsdruck wich nicht von der Stelle, aber ich merkte, wie sehr seine Hand zitterte. Der Mann war nervös, und solche Menschen durfte man um Himmels willen nicht unterschätzen.
Wie spät war es? Ein irrer Gedanke, der angesichts dieser Situation durch mein Gehirn zuckte. Ich wollte nachschauen und bewegte dabei unter der Decke meine Hände.
»Bleib liegen!« zischte der Wirt. »Rühr dich nicht, sonst…«
»Okay, okay«, sagte ich rasch. »Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich werde mich ruhig verhalten.«
»Um so besser.«
Ich schielte zur Seite. Die Waffe war frisch geölt, denn der Geruch drang in meine Nase und erzeugte bei mir eine trockene Kehle. Auch den Waffenlauf konnte ich erkennen, sogar den Abzug, der zum großen Teil von einem Zeigefinger verdeckt wurde.
Dahinter schwamm undeutlich das Gesicht des Wirts.
Meines Mörders?
Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit wurde ich aus nächster Nähe von einer Waffe bedroht. Bei den Rockern war es klar, doch hier konnte ich mir die Wandlung nicht erklären.
Es mußte einen Grund geben, und dieser Grund konnte sich nur aus den Aktivitäten finsterer Mächte zusammensetzen.
Also hatten sie die Wirtsleute für sich gewonnen. Ich hätte es eigentlich wissen müssen, aber ich war zu müde und erschüttert gewesen, um lange darüber nachdenken zu können.
»Warum wollen Sie mich töten?« fragte ich mit einer Stimme, die mir gar nicht zu gehören schien.
»Kannst du dir das nicht denken?« Er schlug sich mit der linken Hand gegen die Stirn. »Nein, ich rede Unsinn. Es tut mir wirklich leid, aber Sie müssen sterben.«
»Haben Sie schon einmal einen Menschen umgebracht?« fragte ich ihn.
»Nein, ich…«
Ich lachte bitter auf. »Dann werden Sie sich wundern, wie leicht und wie schwer es doch ist, den Finger zu krümmen. Natürlich, Sie brauchen nur abzudrücken, und mich gibt es nicht mehr. Aber eins weiß ich. Ihr Gewissen wird sich melden. Und es wird Sie nicht in Ruhe lassen. Im Gegenteil, die Vorwürfe steigern sich, sie werden immer stärker und irgendwann…«
»Hören Sie auf, verdammt!« schrie der Wirt. »Ich will es nicht hören. Sie sollen nicht mehr reden. Ich werde Sie…« Der Wirt holte tief Atem. »Ich werde und will Sie erschießen. Und ich muß es tun. Verdammt noch mal, ich muß es!« Seine Stimme überschlug sich.
Ich hatte ihn reden lassen, aber unter dem Oberbett bewegte ich meinen rechten Arm, winkelte ihn vorsichtig an und schob ihn dabei immer weiter nach rechts.
Der Wirt merkte nichts.
»Wenn du nicht stirbst, dann… dann bringen sie meine Frau um. Und ich liebe meine Laura. Wir sind dreißig Jahre beisammen, und wir wollen noch einmal so lange miteinander leben. Niemand wird sie mir wegnehmen. Niemand darf sie mir wegnehmen. Dafür werde ich sorgen, und dafür begehe ich auch einen Mord.«
»Tun Sie es nicht«, sagte ich schnell und lenkte ihn somit ab, daß ich meinen Arm wieder ein Stück vorbewegen konnte.
»Und Laura? Soll sie sterben?«
»Vielleicht finden wir gemeinsam eine Lösung.«
»Nein!« schrie er mir ins Gesicht, und sein Speichel berührte meine Haut. »Es gibt keine andere. Du mußt sterben, Sinclair. Jetzt und hier!«
»Sie können Ihre Frau auch nicht retten, indem Sie mich töten«, sagte ich.
»Wieso nicht?«
»Nun, Sie sind ein Zeuge. Der Rocker wird Sie doch nicht am Leben lassen. Es geht doch um die Rocker, oder?«
»Ja, sie haben meine Frau. Sie sind unten.«
»Und warum kommen sie nicht selbst hoch?« fragte ich.
»Sie fürchten sich.«
Ich lächelte milde. »Dann sind sie also gar nicht stark, wie sie immer sagen.«
»Das Kreuz macht ihnen Schwierigkeiten.«
Das hatte ich mir bereits gedacht. Da mein Kreuz sie abschreckte, hatten sie den Wirt vorgeschickt und ihn zuvor auf eine miese und dreckige Weise erpreßt, indem sie seine Frau bedrohten. Ich konnte verstehen, wie es in dem armen Mann aussah, doch ich mußte auch an mich und mein Leben denken, denn das war mir ebenso wertvoll.
Während der letzten Zeit war ich zwar immer von der Gewehrmündung bedroht worden, doch die
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