0095 - Die Höllenkutsche
schnell wie normal.
Dann sahen sie die Gestalten. Obwohl sie damit rechnen mußten, daß jemand auftauchte, wurden sie doch überrascht.
Zwei, vier, nein, sieben Gestalten schälten sich aus den dunklen Nischen, versammelten sich in der Halle, bildeten einen Halbkreis, hoben die Köpfe und schauten zu den beiden Männern auf der Galerie hoch…
***
Mit einem gewaltigen Satz sprang Shao zurück. Die schleimige, aus dem Grab stoßende Pranke, die schon nach ihr greifen wollte, faßte ins Leere.
Suko reagierte sofort. Bevor er sich dem dämonischen Gegner zuwandte, mußte er Shao in Sicherheit bringen.
»Weg!« fuhr er sie an. »Lauf zur Seite!«
Shao gehorchte.
Gleichzeitig griff Suko unter die Jacke und zog seine Dämonenpeitsche hervor.
Der Ghoul kletterte aus dem Grab. Er war nur etwa halb so groß wie Suko, und seine schleimigen Massen befanden sich in dauernder Bewegung. Sie sonderten einen Saft ab, der bestialisch stank. Die äußere Form des Ghouls veränderte sich ständig. Oft mehrmals in der Minute, wurde er einmal breit, dann wieder schmal, und die beiden Arme stachen teleskopartig hervor, um nach Suko zu greifen.
Der Chinese tänzelte zur Seite. Ihm kam zugute, daß der Ghoul sich plump bewegte und längst nicht so schnell war wie Suko, der Mensch.
Der Chinese führte mit der Dämonenpeitsche einmal einen Kreisbogen über den Boden.
Drei Riemen fielen heraus.
Und blitzschnell schlug Suko zu.
Alle drei Peitschenriemen klatschten in die Gestalt des widerlichen Ghouls. Sie drangen tief in die schleimige Masse ein, die von zahlreichen pulsierenden Adern durchzogen war.
Die Schnüre wirkten wie Äxte.
Sie zerstörten den Ghoul. Weiße Magie siegte über die Schwarze.
Der schleimige Ghoulkörper sackte zusammen und wurde zu einem unförmigen Klumpen, der sich neben dem Grab als Lache ausbreitete, von der stinkende Schwefel- und Moderdämpfe in die eisige Winterluft hochstiegen.
Suko trat zurück.
Wieder einmal hatte die Dämonenpeitsche bewiesen, wie wertvoll sie doch war. Der Chinese warf einen schnellen Blick auf seine Freundin.
Shao stand mit leichenblassem Gesicht auf der Stelle und rührte sich nicht. »Keine Angst«, sagte Suko, »so leicht sind wir nicht unterzukriegen.«
»Da ist noch ein Grab«, sagte sie nur.
»Ich weiß.« Suko nickte. Er ging ein paar Schritte vor und behielt die Peitsche in der linken Hand. Mit der rechten räumte er die Bohlen weg, die das Grab abdeckten.
Suko erwartete, abermals angegriffen zu werden, diesmal jedoch geschah nichts.
Leer lag das Grab vor ihm.
Er schaute hinein, holte seine kleine Taschenlampe hervor und leuchtete das Rechteck aus.
Überrascht hob er die Augenbrauen.
An der linken Grabwand befand sich ein Loch. Nicht sehr groß, aber noch groß genug, daß ein Ghoul in seiner schleimigen Gestalt hindurchpaßte.
Sollte dieser Friedhof tatsächlich von zahlreichen Gängen unterkellert sein?
Es war durchaus möglich. Suko wollte da nicht nachforschen, denn er konnte Shao nicht allein lassen. Er wunderte sich nur, daß trotz des hartgefrorenen Bodens es den Ghouls gelungen war, ein Loch in die Erde zu stemmen. Das zeugte von ihrer ungeheuren Kraft.
Suko richtete sich wieder auf.
Shao blickte ihn hilflos an. »Was machen wir denn jetzt?« fragte sie.
»Wir müssen den Friedhof absperren lassen«, erwiderte der Chinese. »Es dürfen auf keinen Fall Beerdigungen stattfinden.«
»Und was ist mit Grimes?«
Suko hob die Schultern. Da wußte er auch keinen Rat.
»Vielleicht ist er gar nicht mehr hier«, vermutete Shao.
»Möglich.« Der Chinese deutete in Richtung Ausgang. »Laß uns zurückgehen. Ich muß Superintendent Powell anrufen. Denn jetzt soll er entscheiden, was unternommen wird.«
Shao war einverstanden.
Nebeneinander schritten sie zurück. Suko behielt dabei die Dämonenpeitsche in der Hand. Er war auf immer neue Überraschungen gefaßt. Shao hielt sich dicht neben ihn. Sie faßte nach seiner freien Hand und schaute sich ängstlich um.
Es geschah nichts.
Unangefochten konnten die beiden Menschen den Friedhof überqueren. Auch auf dem alten Teil des Totenackers tat sich nichts. Still und verlassen lag er da.
Trotzdem ahnte Suko mit dem sicheren Instinkt eines erfahrenen Dämonenjägers, daß die Gefahr noch längst nicht vorbei war. Und er sollte recht behalten.
Sie sahen es, als der Eingang vor ihnen auftauchte.
Auf dem Platz stand sie.
Die schwarze Kutsche.
Abrupt blieben Suko und Shao stehen. Sie rieben sich über die
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