0095 - Die Höllenkutsche
mühsam, da zu laufen.
Meine Beretta steckte in der rechten Manteltasche. Ich war auf jede Überraschung gefaßt, als ich langsam auf die Burgmauer zuschritt. Bill Conolly hielt sich an meiner Seite. Wie bei mir, so stand auch bei ihm der Atem als nie abreißende Wolke vor den Lippen.
Das große Burgtor war mit Eisen beschlagen. Rauhreif hatte sich dort abgesetzt. Wir hatten erwartet, daß das Tor offen sein würde, und wir täuschten uns nicht. Schließlich hatte die Kutsche die Burg verlassen.
Ich untersuchte die beiden Flügel genauer. Sah aber keinerlei Zeichen, die auf ein dämonisches Treiben hinwiesen. Keine schwarzmagischen Sprüche oder irgendwelche Beschwörungsformeln, aber auch keine Insignien des Christentums, wie man sie oft bei alten Schlössern und Burgen fand.
Bill war schon vorgegangen und stand bereits auf dem Hof. Er deutete auf das Eingangsportal, dann drehte er seinen Finger nach rechts. »Da, hinter diesen Scheiben brennt Licht.«
»Es brennt nicht, mein Lieber. Das sind Kerzen. Der Schein ist nicht ruhig, er tanzt.«
»Sei doch nicht so pingelig.«
Ich mußte grinsen. Solche Dialoge taten gut. Sie minderten die Spannung etwas.
Wir erreichten die Treppe und sahen vor uns die Stufen. Gut, daß ich nach unten schaute, denn auf der Treppe glitzerte Eis. Vorsichtig schritten wir dem Eingang entgegen. Zwischen Tür und der letzten Stufe blieb ich stehen und schaute nach rechts. Vielleicht gelang es mir, einen Blick hinter die Scheiben zu werfen.
Ich sah nichts, weil Vorhänge die Sicht verdeckten. Sie ließen zwar den Lichtschein zu einem Teil noch durch, doch wie es im Innern aussah, konnte ich nicht erkennen.
Aber wir hörten Stimmen.
Seltsame Laute. Weinerlich und jaulend ausgestoßen. Gar nicht menschlich.
Ich zog die Beretta. Dabei hoffte ich, daß die Tür nicht abgeschlossen war. Die linke Hand legte ich auf die schwere, gußeiserne Klinke, wollte die Tür aufdrücken…
Sie war verschlossen!
Verdammt auch.
Bill dachte das gleiche. Nur sprach er es aus. »Was machen wir?« fragte er danach.
»Wenn alles nichts hilft, müssen wir durch das Fenster klettern«, erwiderte ich.
Den Gedanken hatte mein Freund auch schon gehabt. Er setzte ihn bereits in die Tat um, sprang mit einem Satz über die Treppenmauer und hob vom Boden einen handlichen Stein auf. Den schleuderte er im hohen Bogen gegen das Fenster und traf.
Die Scheibe zerklirrte.
»Alles klar, John!« rief er.
Wie auch Bill sprang ich ebenfalls zu Boden und hatte kaum festen Stand gefunden, als ich die Gestalt am Fenster sah.
Es war ein blutgieriger Vampir!
***
Dean Flint und Harry Salem standen starr vor Grauen. So etwas hatten sie noch nie in ihrem Leben gesehen.
Sieben Gestalten! Wie Ratten waren sie aus ihren Schlupfwinkeln gekrochen.
Und eine schrecklicher als die andere.
Dean und Harry schauten jede einzelne genau an.
Ganz rechts standen zwei Frauen mit langen strohigen Haaren. Sie trugen weiße Gewänder, die schon Stockflecken zeigten und an Leichenhemden erinnerten. Um ihre Hände waren Ketten geschmiedet, nur die Füße konnten sie frei bewegen. Die ausgemergelten Gesichter starrten die beiden Männer an. Die Augen waren weit aufgerissen. Aus ihnen leuchtete der Tod.
Neben ihnen standen zwei männliche Wesen. Sie trugen schwarze, mit Schmutz bedeckte Anzüge und sahen eigentlich normal aus, wenn nicht die Flüssigkeit gewesen wäre, die von ihren Fingerspitzen tropfte, ebenfalls durch die Gesichter rann und sie zu verzerrten Fratzen machte.
Daneben war ein blutjunges Mädchen zu sehen. Es hatte langes pechschwarzes Haar, doch eine unnatürlich bleiche Haut. Dazu Hände, die wie die Krallen eines Geiers aussahen.
Der sechste in der Reihe war ein Mann. Hohlwangig, bleich. Er trug einen dunkelroten Frack, und als er jetzt den Mund öffnete, waren zwei Vampirzähne zu sehen.
Neben ihm stand ein gewaltiger Kerl in einem viel zu engen Anzug. Er hatte einen fast quadratischen Schädel, stumpfe Augen und überlange Arme.
In seiner Figur und seinem ganzen Aussehen erinnerte er an das Monster aus den Frankenstein-Filmen.
Diese sieben Gestalten standen herum und starrten zur Galerie hoch. Keiner gab einen Laut von sich, und doch war es die Stille und der schreckliche Anblick, die bei den Schloßräubern die Angst vervielfältigte.
Dean Flint fand als erster die Sprache wieder. »Wer… wer mag das sein?« flüsterte er.
»Keine Ahnung«, gab Harry ebenso leise zurück. »Auf jeden Fall sind das keine
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