01 Arthur und die vergessenen Buecher
nicht. Ich musste wieder an den vorgeblichen Antiquar im Zug denken, der behauptet hatte, der Bücherwurm habe die Vergessenen Bücher nur erfunden, um den Diebstahl eines wertvollen Buches zu entschuldigen. Was Gerrit uns erzählte, war genau das Gegenteil – aber war es deshalb automatisch die Wahrheit? Mein Kopf schwirrte vor lauter Fragen.
»Und wieso sind die Bücher nicht mit der Stadt untergegangen?«, fragte Larissa.
»Keine Ahnung«, erwiderte Gerrit. »Irgendwie haben sie ihren Weg nach Córdoba gefunden – und von dort in ihre jetzigen Verstecke.«
»Wo sie die Bewahrer verborgen haben.«
Gerrit nickte. »Genau so ist es. Mit dem Wissen, das in den Vergessenen Büchern steckt, könnte man das gesamte Universum zerstören. In den falschen Händen stellen sie eine furchtbare Waffe dar. Das ist auch der Grund, warum es heute noch Bewahrer geben muss.«
»Ist das Buch der Antworten auch so gefährlich?«, wollte ich wissen.
»Ihr müsst wissen, dass es drei Arten von Vergessenen Büchern gibt«, erklärte Gerrit. »Die Dunklen Bücher sind die ältesten. Sie enthalten die unaussprechlichsten Schrecken, die seit Anbeginn der Tage in unserer Welt lauern. Sie sind auch die gefährlichsten Bücher, denn mit ihrer Hilfe lässt sich das Grauen heraufbeschwören, das uns alle zerstören würde. An ihnen gibt es keine gute Seite. Ihr Gebrauch hat ausschließlich negative Folgen.
Die Grauen Bücher sind nicht ganz so gefährlich. Was in ihnen steht, kann für gute ebenso wie für schlechte Ziele nutzbar gemacht werden. Allerdings enthalten sie noch genug geheimes Wissen, um in den falschen Händen zu einer furchtbaren Waffe zu werden.
Die Weißen Bücher dienen ausschließlich guten Zwecken. Allerdings sind sie gerade deshalb auch ein Ziel der Sucher, denn sie wollen diese Bücher aus dem Verkehr ziehen, um ihre Macht ungehindert ausüben zu können.«
»Und was ist das Buch der Antworten?«, fragte Larissa.
»Es ist eines der Grauen Bücher . «
»Also nicht ganz so schlimm«, warf ich ein.
Gerrit blickte mich ernst an. »Keines der Vergessenen Bücher ist harmlos, wenn es in die falschen Hände gelangt. Die Bewahrer wussten das. Deshalb haben sie dafür gesorgt, dass der Verbleib jedes einzelnen Exemplars immer genau dokumentiert ist.«
»Aber es gibt keine Bewahrer mehr«, warf ich ein.
Gerrit sah auf seine Hände, die mit dem leeren Geneverglas spielten. »Das stimmt nicht ganz«, sagte er schließlich. »Die Tradition der Bewahrer ist nach wie vor lebendig. Sie muss nur jede Generation erneuert werden. Und das ist eine meiner Aufgaben.«
»Du gehörst also dazu?« Larissa blickte Gerrit mit weit aufgerissenen Augen an. »Du bist ein Bewahrer?«
»Leider nein.« Er stellte das Glas weg und erhob sich von seinem Stuhl. »Ihr solltet jetzt gehen. Euer Verfolger dürfte seine Suche aufgegeben haben. Und ihr werdet sicher schon erwartet.«
»Aber ...«, begann ich, doch er winkte ab.
»Klar, ihr habt noch jede Menge Fragen«, sagte er. »Die Antworten darauf müsst ihr zum Teil selber herausfinden. Ich werde euch dabei so gut ich kann helfen.«
Larissa war, ebenso wie ich, erstaunt von dem abrupten Ende des Gesprächs. »Du kannst uns doch jetzt nicht so einfach wegschicken!«, protestierte sie.
Gerrit setzte wieder sein Strahlemann-Gesicht auf. Er legte Larissa die Hand auf die Schulter. »Keine Sorge. Ihr seid jetzt erst einmal sicher. Denkt über das nach, was ihr heute erfahren habt und was ihr noch von eurem Gastgeber lernen werdet. Dann unterhalten wir uns weiter. Ihr wisst ja jetzt, wo ihr mich finden könnt.«
Mit diesen Worten bugsierte er uns in Richtung Tür. Das hieß ganz klar: Schluss für heute. Wir traten wieder in den grünen Innenhof. Gerrit begleitete uns noch bis zur Schuttersgalerij und verabschiedete sich dann von uns.
Zurück auf der Kalverstraat ließ ich meinen Blick nach beiden Seiten über die Passanten gleiten, bis ich sicher war, den Narbengrufti nirgendwo zu sehen. Larissa bemerkte, was ich tat.
»Gerrit hat doch gesagt, dass wir jetzt sicher sind.« Bei der Nennung seines Namens nahm ihr Gesicht einen leicht verklärten Ausdruck an. Was hatte das nun wieder zu bedeuten?
» Gerrit kann sagen, was er will«, erwiderte ich barsch. »Er ist ja auch nicht allein in einer fremden Stadt unterwegs und wird auch nicht verfolgt. Wir hingegen schon.«
»Du bist ja nur eifersüchtig auf ihn«, sagte sie. »Weil er mehr weiß als du und sich besser mit den Vergessenen
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