Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 Arthur und die vergessenen Buecher

01 Arthur und die vergessenen Buecher

Titel: 01 Arthur und die vergessenen Buecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
Vom Netzwerk:
Zeit für andere Dinge. Und Giovanni kommt auch gut ohne mich zurecht.«
    »Sie haben Kinder?«, wollte Larissa wissen.
    »Zwei Töchter und einen Sohn«, antwortete Giovanni Montalba mit Stolz in der Stimme. »Sie leben inzwischen nicht mehr in Bologna, sondern sind über ganz Europa verstreut.«
    »Auch als Antiquare?«, fragte ich.
    Montalbas Gesicht verlor ein wenig von der Freude, die soeben noch sichtbar gewesen war. »Leider nein«, sagte er, und das Bedauern war seiner Stimme deutlich anzumerken. »Mario spielt in Córdoba Theater, Angelina studiert Sprachen in Prag und Enzo ist Musiker in Lissabon.«
    »Giovanni ist ein wenig traurig, dass niemand aus der Familie sein Geschäft fortführt«, erklärte seine Frau. »Aber ich verstehe die Kinder. Alte Bücher sind etwas Totes. Das Leben ist schon lange aus ihnen entwichen, und sie werden in luftgekühlten Särgen aufbewahrt wie die Pharaonen in den Pyramiden. Menschen wie Giovanni neigen dazu, sich in ihren Hinterzimmern wegzuschließen und den Blick fürs Leben zu verlieren. Nein, nein«, wehrte sie ihren Mann ab, der mit dieser Aussage offensichtlich nicht einverstanden war, »unsere Kinder haben sich für das Leben entschieden, für das Hier und Jetzt.«
    Bevor Montalba zu einer Verteidigungsrede ansetzen konnte, stand sie auf. »Ich zeige euch jetzt eure Zimmer«, sagte sie. »Wenn Giovanni einmal anfängt, dann hört er nicht wieder auf. Was er euch zu sagen hat, das kann auch bis morgen warten.«
    Ich wurde im ehemaligen Zimmer des ältesten Sohnes untergebracht, Larissa in dem der Tochter. Die Räume erinnerten mit ihren Postern an den Wänden und den Comics und Jugendbüchern in den Regalen noch an ihre vormaligen Bewohner.
    Als ich das schwere alte Holzbett sah, merkte ich, wie müde ich war. Larissa ging es nach der langen Reise wohl nicht anders. Schließlich hatten wir eine Bahnfahrt von über zwanzig Stunden hinter uns. Draußen war es inzwischen dunkel geworden, und ich schlief ein, kaum dass ich unter die Bettdecke geschlüpft war.
    Die ersten beiden Tage in Bologna waren wie Urlaub für uns. Wir spazierten durch die Stadt auf der Suche nach Hinweisen, von denen wir weder wussten, wie sie aussahen noch, wohin sie uns führen sollten.
    Die Altstadt mit ihren mittelalterlichen Gebäuden und endlosen Arkaden hielt immer wieder neue Überraschungen für uns bereit. Montalba hatte uns erklärt, aus welchem Grund die vielen Bogengänge gebaut worden waren. »Es ging nicht darum, den Fußgängern das Leben zu erleichtern, sondern darum neuen Wohnraum zu schaffen. Über den Arkaden konnten zusätzliche Räume an die Häuser angebaut werden, die Platz für die wachsende Bevölkerung boten.«
    Wir drängten uns durch das Gassenviertel am Rathaus, in dem die Markthändler ihre Geschäfte hatten und Fisch, Fleisch, Gemüse und andere Lebensmittel verkauften. Wir entdeckten kleine Piazzas, in denen vom Treiben der umliegenden Stadt nur wenig zu spüren war. Wir erkundeten das ehemalige jüdische Ghetto mit seinen schmalen Straßen und Häusern, in denen das Leben früher die Hölle gewesen sein musste, wie auch der Name einer Straße, Via dell’Inferno, bezeugte.
    Am Ende der Via dell’Indipendenza stiegen wir die breiten Freitreppen zum Parco della Montagnola empor, einer prächtigen Parkanlage mit Skulpturen und einem See, die 1806 auf Geheiß von Napoleon angelegt worden war. An seinem Ende stießen wir auf einen bunten Wochenmarkt, der sich bis fast an den Rand der Altstadt erstreckte und auf dem man vom Gemüsemesser bis zum Wintermantel alles kaufen konnte.
    Wir bummelten gemütlich durch die breiten Arkaden der Via dell’Indipendenza mit ihren eleganten Modegeschäften und durch das Universitätsviertel mit seinen lebendigen Studentenbars. Und immer wieder tauchten verwinkelte kleine Gassen auf, die wir beim ersten oder zweiten Vorbeigehen übersehen hatten.
    Und natürlich stießen wir überall auf die Türme.
    Was für Amsterdam die Grachten sind, das sind für Bologna die torri . Die höchsten dieser Türme, der Torre Asinelli und der Torre Garisenda , standen mitten im Stadtzentrum.
    »Bologna war früher als die Stadt der Türme bekannt«, hatte uns Montalba am Morgen nach unserer Ankunft in seinem Laden erklärt und dabei einige alte Drucke hervorgezogen, auf denen die Stadt wie ein mittelalterliches Manhattan aussah. »Zweihundert davon soll es einmal gegeben haben, obwohl ich diese Zahl für übertrieben halte. Sie wurden von den adeligen

Weitere Kostenlose Bücher