01 Arthur und die vergessenen Buecher
Bologna sind«, stellte Larissa fest.
»Immerhin haben sie unsere Spur bis München verfolgt«, sagte ich. »Wenn sie es bis dahin geschafft haben, warum sollten sie uns dann nicht auch in Bologna aufspüren?«
»Du glaubst, sie sind schon hier in der Stadt?«
Ich zuckte mit den Schultern. Wir bogen in die hell erleuchtete Via dell’Indipendenza ein, und meine Nackenhaare legten sich wieder. Ich gab es Larissa gegenüber zwar nicht zu, aber insgeheim war ich überzeugt, dass uns die Slivitsky-Brüder schon bald wieder auf den Fersen sein würden – sofern das nicht bereits der Fall war.
Das Geheimnis der Türme
Es war unser dritter Tag in Bologna, und wir waren mit unserer Suche noch keinen Schritt weiter gekommen. Zum wiederholten Mal klapperten wir die Türme in der Altstadt ab und versuchten, irgendeinen auch noch so kleinen Hinweis zu entdecken – vergeblich.
Am Morgen hatte sich Larissa die Augen vorgenommen.
»Wir wollen doch mal sehen, wie gut sie ihre Website gesichert haben«, sagte sie, als sie sich an Montalbas PC setzte. Aus ihrer Tasche zog sie einen USB-Stick, von dem sie einige Dateien auf den Rechner kopierte.
Sie öffnete ein Programm, das ich nicht kannte, und gab die Adresse www.searchingeyes.com ein. In schneller Folge scrollten Informationen durch das Fenster, die hauptsächlich aus Zahlen und englischen Fachausdrücken bestanden. Einiges davon kannte ich, zum Beispiel Begriffe wie IP-Adresse oder Port . Das meiste war mir jedoch völlig unbekannt.
Larissa nickte befriedigt. »Wie ich es mir gedacht habe. Sie fühlen sich ziemlich sicher. Dann wollen wir ihnen mal den Spaß am Bespitzeln ein wenig verderben.«
Mit ein paar Mausklicks führte sie eine Reihe von Aktionen aus, die zu schnell waren, als dass ich sie mir hätte merken können. Dann löschte sie die auf den Rechner kopierten Dateien, fuhr ihn herunter und steckte ihren Stick wieder ein.
»Was war das jetzt?«, fragte ich.
»Ich habe den Server, also den Rechner, über den die Website läuft, vorübergehend lahmgelegt«, antwortete sie. »Jedes Betriebssystem hat eine Reihe von Eingangstüren, die sogenannten Ports. Wer sich auskennt, der verbarrikadiert alle diese Türen so, dass niemand ohne Erlaubnis von draußen hereinkommt und Viren oder andere Daten auf den Rechner spielen kann.«
»Und du hast einen offenen Port gefunden?«
Sie nickte. »Dadurch habe ich ein kleines Programm bei ihnen eingeschleust, was in den nächsten Stunden eine Menge Schaden anrichten wird. Ich weiß natürlich nicht, inwieweit das die Telefonkette beeinflusst. Aber an ihrer Website werden sie für einige Zeit keine Freude mehr haben.«
Larissa nahm einen Schluck von ihrer Cola. Wir saßen wieder in unserem Stamm-Eiscafé und ich blätterte frustriert in meinem Notizbuch, als zwischen zwei Seiten die Visitenkarte herausfiel, die uns Antonio, der Schaffner, am Bahnhof in die Hände gedrückt hatte. Ich betrachtete sie näher.
Carlo di Stefano stand darauf, und darunter in kleineren Buchstaben Direttore, Istituto della storia alternativa . Institut für alternative Geschichtsschreibung – was hatte das nun wieder zu bedeuten?
Di Stefano wohnte ganz in der Nähe, und wir beschlossen, ihm einen Besuch abzustatten. Es brachte uns vielleicht nicht weiter, schaden konnte es allerdings auch nichts. Außerdem hörte sich alternative Geschichte interessant an. Wenn uns Montalbas offizielle Geschichte nicht weiterhelfen konnte, dann vielleicht di Stefanos alternative Version.
Das Istituto war in einer etwas weniger repräsentativen Ecke des Universitätsviertels beheimatet. Der Eingang befand sich direkt neben einer kleinen, schäbigen Bar, deren Publikum weniger nach Studenten als vielmehr nach Obdachlosen aussah. Während wir auf die Klingel des Istituto drückten, musterte ich die Gäste. An der Theke glaubte ich unseren Akkordeonspieler zu entdecken. Überprüfen konnte ich das allerdings nicht, denn der Türöffner summte und ließ uns ein.
Wir gingen einen langen dunklen Flur entlang, in dem es unangenehm nach faulendem Abfall und abgestandenem Urin roch – eine etwas merkwürdige Umgebung für ein seriöses wissenschaftliches Institut. Am Flurende fanden wir eine Tür, auf die ein handgeschriebenes Pappschild mit dem Namen des Instituts geklebt war. Ich klopfte vorsichtig an.
» Avanti! «, klang eine Stimme dumpf durch die Tür. Larissa schob die Tür auf. Vor uns lag ein winziger Raum, der von einem massiven Schreibtisch dominiert
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