01 Arthur und die vergessenen Buecher
denen ich gesprochen habe.«
Er deutete auf eine große Karte von Bologna, die hinter ihm an der Wand hing. Der ganze Bereich der Innenstadt war mit roten und blauen Nadeln markiert.
»Die meisten Türme wurden im 13. Jahrhundert von den Dynastien der Geremei und Lambertazzi errichtet. Innerhalb weniger Jahre ließ jeder Clan 18 Türme in der Stadt hochziehen. Baute ein Geremei einen neuen Turm, dann folgte umgehend ein Lambertazzi mit einem eigenen torre nach. Jede der Familien hatte ihren persönlichen Baumeister. Die Familie Geremei nutzte die Dienste von Pietro Carbonesi, die Lambertazzis arbeiteten mit Giacomo Oretti. Der Wettstreit der Clans war damit auch ein Wettstreit der Baumeister – so schien es jedenfalls. In Wirklichkeit sah die Sache ganz anders aus. Carbonesi und Oretti gehörten beide der Innung der Baumeister an, die mit straffer Hand von Alberto Salterini geführt wurde. Salterini wiederum ist bekannt dafür, dass er ein Anhänger der Kabbala war und über geheimes Wissen verfügte.«
»Kabbala!«, rief Larissa. »Wie van Beuningen in Amsterdam!«
»Aha«, sagte di Stefano. »Ihr wisst also bereits, was die Kabbala ist. Sehr gut.«
Er räusperte sich und fuhr fort: »Was also zufällig aussah, war in Wirklichkeit von langer Hand geplant. Jeder Turm stand genau an der Stelle, an der er nach Salterinis Willen stehen sollte. Die Auftraggeber und das gemeine Volk ahnten natürlich nichts davon. Bis heute weiß niemand genau, welchen Zweck genau Salterini mit seinen Plänen verfolgte.«
Er musste die Enttäuschung bemerkt haben, die seine Worte auf unseren Gesichtern hervorgerufen hatten.
»Ich sagte, niemand weiß es genau. Wir haben natürlich einige Vermutungen.«
Er stand auf und zeigte auf die verschiedenfarbigen Nadeln in der Karte von Bologna. »Da Salterini ein Kabbalist war und Zahlen in der Kabbala eine große Rolle spielen, haben wir zunächst versucht, aus der Anzahl der Türme einen Hinweis zu erhalten. Wir haben die Gesamtzahl genommen, die Zahl der Türme für die einzelnen Familien, haben Quersummen gebildet, multipliziert und dividiert, aber keines der Ergebnisse ergab einen klaren Sinn. Das Problem besteht sicher auch darin, dass niemand mehr genau weiß, wie viele Türme einmal in Bologna gestanden haben. Jede Zahl kann nur eine Vermutung sein.«
»Haben Sie die Türme auch miteinander verbunden?«, fragte Larissa. Genau das hatten wir ja ebenfalls versucht.
Er nickte. »Wir haben Linien zwischen allen Türmen und den Türmen der jeweiligen Clans gezogen, in der Hoffnung, so vielleicht ein kabbalistisches Muster zu entdecken. Doch das war ebenfalls erfolglos.«
»Also verbirgt sich doch kein Plan hinter der Anordnung der Türme«, folgerte ich enttäuscht.
Di Stefano legte die Fingerspitzen zusammen und starrte einen Moment darauf. »Das würde ich nicht sagen. Salterini hatte einen Plan. Wir haben nur noch nicht herausgefunden, was für ein Plan das war.«
»Weiß denn wirklich niemand, wie viele Türme einmal in Bologna gestanden haben?«, fragte Larissa.
Di Stefano zuckte mit den Schultern. »Leider nein. Unklar ist auch, ob die torresotti in die Berechnungen mit einzubeziehen sind oder nicht.«
»Nun sind wir so klug wie zuvor«, murmelte ich.
»Seht das nicht so pessimistisch«, versuchte di Stefano mich aufzumuntern. »Ihr wisst nun mit Sicherheit, dass sich ein Plan hinter den Türmen verbirgt. Es geht lediglich darum, ihn herauszufinden.«
»Eine Aufgabe, an der Sie sich schon seit Jahren die Zähne ausbeißen«, erwiderte ich niedergeschlagen. »Wie sollen wir das dann schaffen?«
»Manchmal hilft ein frischer Blick«, erwiderte er. »Ihr seid neu in Bologna, ihr seid keine Historiker und ihr habt keine vorgefassten Meinungen. Vielleicht gelingt es euch, etwas herauszufinden, was wir bislang übersehen haben.«
Wir standen auf. Di Stefano kam um seinen Schreibtisch herum und wäre fast über einen Bücherstapel gestolpert. Vorsichtig arbeiteten wir uns zur Tür vor und verabschiedeten uns.
»Wenn ihr etwas entdeckt, dann lasst es mich unbedingt wissen«, rief er uns noch nach, als wir schon fast an der Haustür waren.
Nach der Enge des vollgestopften Raums war es eine Erleichterung, wieder auf der Straße zu stehen. Ich warf noch schnell einen Blick in die Bar nebenan, aber von unserem Akkordeonspieler war nichts zu sehen.
Wir trabten zu Montalbas Haus zurück. Zumindest wussten wir jetzt, dass hinter der Position der Türme ein Plan steckte – sofern
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