01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
schloß einen Moment die Augen und holte tief Atem.
Constable Trumble kam rot und schwitzend die geflieste Treppe heruntergerannt und bremste vor der Glastür mit quietschenden Sohlen ab. Kincaid mußte Cassie ein wenig zur Seite ziehen, damit die Tür sich öffnen ließ - diesmal zuckte sie nicht vor der Berührung zurück.
Trumble sah sich ängstlich nach Inspector Nash um und atmete erleichtert auf, als es den Anschein hatte, daß die Strafpredigt nicht auf dem Fuß folgen würde.
»Keine Sorge, Constable.« In Peter Raskins leiser Stimme schwang ein Anflug von Erheiterung. »Er ist gerade hinausgegangen, um die Sanitäter zu holen, weil Dr. Percy jetzt fertig ist.«
»Miss!« Trumble richtete sich vor Cassie wieder einmal zu voller Größe auf. »Sie können hier nicht bleiben. Unbefugten ist der Zutritt verboten. Sie müssen bei den anderen bleiben, bis der Chief Inspector mit allen gesprochen hat.« Zu Raskin sagte er, um sich zu rechtfertigen: »Ich wußte nichts von dem Bungalow, Sir. Die anderen haben es mir gesagt; sie meinten, jemand müßte Miss Whitlake Bescheid geben. Da bin ich hinübergegangen, und sie hat gesagt, sie würde direkt zu den anderen gehen. Erst als sie nicht kam, habe ich entdeckt, daß sie hierher gekommen war...«
»Das ist mein gutes Recht. Ich habe hier die Verantwortung. Ich muß für alles... ja, gut, meinetwegen.« Sie gab nach, als sie die unerbittlichen Gesichter sah. »Ich warte bei den anderen, aber ich hoffe, es dauert nicht zu lange. Ich muß telefonieren.«
Sie war jetzt ruhig, und Kincaid glaubte, die Rückkehr einer gewissen Berechnung zu entdecken. Mit vielen Blicken zurück und unter unwirschem Gebrummel führte Trumble sie weg, und Kincaid fiel auf, daß Cassie Sebastian nicht noch einmal ansah. Aber was hatte er denn erwartet? Eine kummervolle Abschiedsszene? Bestimmt nicht. Jedenfalls nicht von Cassie Whitlake. Wenn überhaupt Tränen um Sebastian vergossen werden würden, dann von anderen.
5
Ohne seinen Chef aus den Augen zu lassen, nahm Peter Raskin Kincaid auf die Seite und senkte seine Stimme, so daß nur Kincaid ihn verstehen konnte. »Ich gebe Ihnen den Befund der Obduktion. Und der Laboruntersuchungen, wenn Sie sich dafür interessieren. Um ehrlich zu sein, gefällt mir diese Selbstmordtheorie auch nicht. Meiner Ansicht nach paßt sie nicht. Die Ordentlichen hinterlassen im allgemeinen einen Abschiedsbrief und wählen irgend etwas, das langsam wirkt, Tabletten oder eine Spritze. Und die anderen, die mit Knallbumm aus dieser Welt scheiden wollen, hinterlassen meiner Erfahrung nach ein fürchterliches Chaos und blasen sich dann beim Gewehrreinigen das Lebenslicht aus. Das Bild hier ist einfach nicht stimmig.«
»Richtig.«
Schade um Raskin. Er hatte das Zeug zu einem guten Polizeibeamten - zurückhaltend, aufmerksam, intelligent und nicht so besserwisserisch, daß er nicht über seine eigene Nase hinaussehen konnte -, und ausgerechnet ihm mußte ein Ekel wie Nash vor die Nase gesetzt werden. Kincaid fragte sich, wie Raskin sich angesichts dieser Meinungsverschiedenheit mit seinem Chef verhalten würde. Wenn sich herausstellen sollte, daß Nash falsch lag, und davon war Kincaid überzeugt, würde er seine Wut an irgendjemand auslassen, und Raskin würde gut daran tun, seine Ansichten vorerst für sich zu behalten.
Kincaid fuhr nach Thirsk und versuchte, den ärgerlichen Gedanken »mit eingekniffenem Schwanz«, der ihm nicht aus dem Kopf wollte, zu ignorieren. Er hielt es für das beste, weitere Konfrontationen mit Nash zu vermeiden, bis er bessere Munition hatte.
Auf dem Marktplatz lockte eine Bank, und nachdem er sich in einer kleinen Bäckerei eine heiße Fleischpastete gekauft hatte und an einem Stand etwas frischen Käse und einen knackigen Apfel, ließ er sich dort nieder und verzehrte in Ruhe sein improvisiertes Mittagessen. Dann machte er sich auf, das Städtchen zu erkunden.
Um halb vier hatte er sämtliche Sehenswürdigkeiten genossen. Der Tag war so strahlend schön geworden, wie er sich angekündigt hatte, die Herbstluft weich und sonnenwarm. Er wanderte straßauf, straßab und schob in seiner Entschlossenheit, ein sorgloser Tourist zu sein, alle Gedanken an die Ereignisse des Morgens beiseite, sobald sie seine heitere Gelassenheit bedrohten.
Die schöne spätgotische Kirche mit dem hohen gezinnten Turm war wahrhaftig sehenswert gewesen. Das Gelände um sie herum stieg von Osten
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