01_Der Fall Jane Eyre
daß
ich Pilot nicht füttern würde, eilte sie davon und ließ mich mit dem
Hund allein. Zehn Minuten später kam sie mit einem Teetablett
zurück und überließ mich dann eine weitere halbe Stunde mir selbst,
um mir ein Zimmer zurechtzumachen. Schließlich führte sie mich in
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eine Kammer im ersten Stock mit einem herrlichen Ausblick. Ich hatte
darauf bestanden, daß Pilot bei mir blieb, und er schlief vor der
verschlossenen Tür, wohl weil er unbewußt spürte, in welcher Gefahr
ich schwebte. Ich schlief unruhig und träumte, daß Hades mich
auslachte.
Während ich schlief, hatten Victor und die Kollegen in der
Swindoner LitAg-Außenstelle die Rückkehr der Ich-Erzählerin in den
Roman gefeiert. Abgesehen von einer flüchtigen Bemerkung über die
Geräusche, die in der Nacht des Zimmerbrandes aus Mrs. Fairfax’
Kammer dringen, war alles mehr oder weniger genauso wie zuvor. Ein
Mitglied der Brontë-Gesellschaft überprüfte den Text, während der
sich selber schrieb und die letzten zweihundert Seiten füllte, die
tagelang leer gewesen waren. Der Brontë-Experte kannte den Roman
auswendig, und seine zufriedene Miene gab keinerlei Anlaß zur
Besorgnis.
Ich wurde wach, als Pilot an der Tür zu scharren begann, weil er
hinausgelassen werden wollte. Lautlos schob ich den Riegel zurück
und öffnete. Als ich Jane über den Flur huschen sah, machte ich die
Tür gleich wieder zu und schaute auf die Uhr. Es war noch nicht
einmal sechs, und die meisten Dienstboten schliefen noch. Nachdem
ich ein paar Minuten gewartet hatte, ließ ich Pilot hinaus und folgte
zögernd, immer auf der Hut, falls mir Jane über den Weg lief. Da die
meisten Hausbewohner den Vormittag damit zubringen würden, Mr.
Rochesters Kammer wiederherzurichten, wollte ich nach dem
Frühstück einen Spaziergang unternehmen, doch die Haushälterin
hielt mich zurück.
»Miss Next«, verkündete sie, »Mr. Rochester hat mich über die
Ereignisse der vergangenen Woche aufgeklärt, und ich möchte Ihnen
ebenfalls herzlich danken.« Obwohl ihre Stimme keinerlei
Gefühlsregung erkennen ließ, zweifelte ich nicht an ihrer
Aufrichtigkeit. Sie setzte hinzu: »Er hat mich beauftragt, das Haus
gegen Agenten zu sichern, die Miss Eyre etwas antun könnten.«
Ich sah aus dem Fenster; draußen stand ein Feldarbeiter mit einer
großen Spitzhacke Wache. Plötzlich warf er einen Blick ins Haus und
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lief eilig davon. Gleich darauf trat Jane aus der Tür, nahm einen tiefen
Zug der frischen Morgenluft und ging wieder hinein. Sofort bezog der
Feldarbeiter von neuem seinen Posten.
»Miss Eyre darf unter keinen Umständen erfahren, daß wir sie
bewachen und beobachten«, mahnte Mrs. Fairfax.
»Verstehe.«
Mrs. Fairfax nickte und musterte mich prüfend. »Gehen Frauen dort,
wo Sie herkommen, ohne Kopfbedeckung aus dem Haus?«
»Sehr häufig sogar.«
»Bei uns ist das nicht üblich«, sagte sie in vorwurfsvollem Ton.
»Kommen Sie, ich gebe Ihnen ein paar anständige Kleider.«
Mrs. Fairfax nahm mich mit in ihr Zimmer und reichte mir eine
Haube sowie eine dicke schwarze, knöchellange Pelerine. Ich dankte
ihr, und Mrs. Fairfax knickste höflich.
»Ist Mr. Rochester heute im Haus?« fragte ich.
»Er hat anderweitige Verpflichtungen. Soviel ich weiß, weilt er bei
Mr. Eshton. Colonel Dent und Lord Ingram werden auch dort sein. Ich
erwarte ihn frühestens in einer Woche zurück.«
»Halten Sie das für ratsam, nach allem, was passiert ist?«
Mrs. Fairfax sah mich an, als sei ich ein kleines Kind.
»Sie haben es offenbar noch immer nicht begriffen, wie? Nach dem
Brand verreist Mr. Rochester für eine Woche. So ist das nun einmal.«
Ich wollte weiter in sie dringen, doch die Haushälterin entschuldigte
sich und ließ mich allein. Ich sammelte meine Gedanken, strich die
Pelerine glatt und machte einen Gang ums Haus, um nachzusehen, ob
alles fest verriegelt war. Die bewaffneten Feldarbeiter nickten mir im
Vorbeigehen ehrfürchtig zu. In der Hoffnung, daß sie Hades nie
begegnen würden, ging ich über die Wiese in dieselbe Richtung, in die
er am Vorabend verschwunden war. Kaum hatte ich die hohen Birken
am Grenzzaun hinter mir gelassen, hörte ich eine vertraute Stimme.
Ich fuhr herum.
»Haben wir überhaupt eine Chance gegen ihn?«
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Es war Rochester. Er stand hinter einem der mächtigen
Baumstämme und blickte mich mit tiefbesorgter Miene an.
»Auf jeden Fall, Sir«, antwortete ich. »Ohne
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