01_Der Fall Jane Eyre
die
Wiedergutmachung dieses vermeintlichen Unrechts.
»Hallo!« sagte der Baconier freudestrahlend. »Haben Sie vielleicht
einen Moment für mich Zeit?«
Ich antwortete langsam: »Wenn Sie allen Ernstes glauben, mir
weismachen zu können, daß der Sommernachtstraum von einem
Juristen verfaßt wurde, muß ich wohl weitaus dümmer aussehen, als
ich dachte.«
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Doch so leicht ließ der Baconier sich nicht abwimmeln. Es machte
ihm offensichtlich Spaß, mein dürftiges Argument zu widerlegen; im
richtigen Leben war er vermutlich Anwalt, Spezialgebiet
Personenschäden.
»Nicht halb so dumm wie die These, daß ein ungebildeter
Schuljunge aus Warwickshire unsterbliche Werke verfaßt haben soll.«
»Woher wollen Sie wissen, daß er ungebildet war?« gab ich zurück;
langsam fand ich Gefallen an dem Spielchen. Buckett winkte mir, daß
ich den Kerl endlich loswerden sollte, doch ich ignorierte sein
Gefuchtel.
»Einverstanden«, fuhr der Baconier fort, »aber es spricht doch
einiges dafür, daß es sich bei dem Shakespeare aus Stratford und dem
Shakespeare aus London um zwei verschiedene Männer handelt.«
Ein interessanter Ansatz. Ich zögerte einen Moment, und Edmund
Capillary nutzte die Gelegenheit, sein Sprüchlein aufzusagen. Wie auf
Knopfdruck sprudelte es aus ihm heraus: »Der Shakespeare aus
Stratford war ein wohlhabender Getreidehändler und
Immobilienmakler, während der Londoner Shakespeare wegen
vergleichsweise lächerlicher Summen von Steuereintreibern gejagt
wurde. Einmal, im Jahre 1600, verfolgten ihn die Eintreiber sogar bis
nach Sussex; warum haben sie ihn sich dann nicht gleich in Stratford
geschnappt?«
»Da bin ich überfragt.«
Jetzt kam er richtig in Fahrt.
»In Stratford wußte niemand von seinen literarischen Erfolgen!
Nach heutigem Kenntnisstand hat er nie auch nur ein Buch gekauft
oder einen Brief geschrieben, sondern lediglich mit Getreide, Malz
und ähnlichem gehandelt.«
Das Männlein sah mich triumphierend an.
»Und was, bitte, hat Bacon mit alldem zu tun?« fragte ich.
»Francis Bacon war ein elisabethanischer Schriftsteller, den seine
Familie zu einer Laufbahn als Anwalt und Politiker gezwungen hatte.
Da es seinerzeit als unfein galt, in Theaterkreisen zu verkehren, sah
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Bacon sich genötigt, einen kaum bekannten Schauspieler namens
Shakespeare als Strohmann zu nehmen – die Historie hat
fälschlicherweise eine Verbindung zwischen den beiden Shakespeares
hergestellt, um einer ansonsten wenig glaubwürdigen Geschichte
größere Plausibilität zu verleihen.«
»Und der Beweis?«
»Hall und Marston – zwei elisabethanische Satiriker – hegten die
felsenfeste Überzeugung, daß Bacon der eigentliche Verfasser von
Venus und Adonis und Lucretia sei. Alles weitere steht in dieser
Broschüre. Nähere Informationen erhalten Sie bei unseren
monatlichen Versammlungen; bis vor kurzem haben wir uns im
Rathaus getroffen, aber vorige Woche hat der radikale Flügel der
Neuen Marlowianer einen Brandanschlag auf uns verübt. Wo wir das
nächste Mal zusammenkommen, steht noch nicht fest. Aber wenn ich
Ihren Namen und Ihre Telefonnummer notieren darf, melde ich mich
rechtzeitig bei Ihnen.«
Seine Miene war ernst und selbstgefällig; er dachte, ich sei ihm auf
den Leim gegangen. Ich beschloß, meinen stärksten Trumpf
auszuspielen. »Und was ist mit dem Testament?«
»Dem Testament?« echote er leicht nervös. Er hatte offenbar
gehofft, daß ich nichts davon wüßte.
»Ja«, fuhr ich fort. »Wenn es wirklich zwei verschiedene
Shakespeares gab, warum hat der Shakespeare aus Stratford dann
Condell, Henning und Burbage, drei Theaterkollegen des Londoner
Shakespeare, in seinem Testament bedacht?«
Dem Baconier klappte die Kinnlade runter. »Diese Frage hab ich
befürchtet.« Er seufzte. »Ich verschwende meine Zeit, nicht wahr?«
»Ja. So leid es mir tut.«
Er brummte etwas in seinen nicht vorhandenen Bart und zog von
dannen, aber schon als ich den Riegel vorschob, hörte ich, wie er an
die Tür der Nachbarwohnung klopfte. Vielleicht hatte er dort mehr
Glück.
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»Was hat eine LitAg hier überhaupt zu suchen, Next?« fragte
Buckett, als wir wieder in der Küche waren.
»Ich bin nur hier«, antwortete ich langsam, »weil ich weiß, wie er
aussieht; aber keine Angst: Sobald ich unseren Mann identifiziert
habe, schickt Tamworth mich zurück auf meinen alten Posten.« Ich
goß klumpige Milch ins Becken und spülte den Karton
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