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01_Der Fall Jane Eyre

01_Der Fall Jane Eyre

Titel: 01_Der Fall Jane Eyre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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sauer; die Art ihrer Befragung ging mir gegen
    den Strich. Ich sammelte meine Gedanken und fuhr fort, um die Sache
    so schnell wie möglich hinter mich zu bringen.
    »Ich sah mich in der Wohnung um und stellte fest, daß im
    Schlafzimmer ein Fenster offenstand. Es ging auf die Feuerleiter, und
    als ich hinausspähte, entdeckte ich Acherons Gestalt vier Stockwerke
    tiefer auf der rostigen Treppe. Gerade als mir klar wurde, daß ich ihn
    nicht mehr einholen konnte, sah ich Snood. Er stolperte hinter einem
    geparkten Wagen hervor, richtete seinen Revolver auf Hades und sank
    auf die Knie. Damals verstand ich nicht, was er damit bezweckte.«
    »Und heute?«
    Ich ließ den Kopf hängen.
    »Er war meinetwegen da.«

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    Ich spürte, wie mir die Tränen kamen, und kämpfte mit aller Macht
    dagegen an. Da ich nicht die Absicht hatte, vor diesen Leuten
    loszuflennen wie ein kleines Kind, kaschierte ich mein Schniefen
    durch geschicktes Hüsteln.
    »Er war da, weil er wußte, was er getan hatte«, sagte Flanker. »Er
    wußte, daß er Tamworth und Sie in Lebensgefahr gebracht hatte, weil
    ihm Hades’ Name herausgerutscht war. Wir gehen davon aus, daß er
    seinen Fehler wiedergutmachen wollte. Mit neunundachtzig Jahren
    trat er einem Mann gegenüber, der erstens zu allem entschlossen und
    ihm zweitens sowohl körperlich als auch intellektuell weit überlegen
    war. Das war zwar tapfer. Aber dumm. Konnten Sie hören, worüber
    die beiden gesprochen haben?«
    »Anfangs nicht. Aber als ich die Feuertreppe weiter hinunterstieg,
    hörte ich Snood ›Polizei!‹ und ›Auf den Boden!‹ rufen. Als ich im
    zweiten Stock angekommen war, hatte Hades den Alten schon
    überredet, ihm seine Waffe auszuhändigen, und erschoß ihn damit. Ich
    drückte zweimal ab; Hades schwankte leicht, fing sich allerdings rasch
    wieder und rannte zum erstbesten Wagen. Meinem Wagen.«
    »Und dann?«
    »Ich kletterte die Leiter hinunter, ließ mich fallen und landete
    unglücklich in einem Abfallhaufen, wobei ich mir den Fuß
    verstauchte. Als ich den Kopf hob, sah ich, wie Acheron das
    Seitenfenster meines Wagens einschlug und die Tür öffnete. Es
    dauerte nur ein paar Sekunden, dann hatte er das Lenkradschloß
    geknackt und den Motor angelassen. Ich wußte, daß die Straße eine
    Sackgasse war. Wenn Acheron entkommen wollte, mußte er mich
    über den Haufen fahren. Ich humpelte zur Straßenmitte und wartete.
    Als er losfuhr, drückte ich ab. Jeder Schuß ein Treffer. Zwei in die
    Windschutzscheibe und einer in den Kühlergrill. Acheron gab Gas,
    und ich leerte mein Magazin. Ein Seitenspiegel und ein Scheinwerfer
    gingen zu Bruch. Wenn er nicht auswich, würde er mich überfahren,
    aber das war mir in dem Moment egal. Der Einsatz war ohnehin ein
    Desaster. Acheron hatte Tamworth und Snood umgebracht. Er würde
    zahllose andere umbringen, wenn ich mich ihm nicht entgegenstellte.
    Als meine letzte Kugel seinen rechten Vorderreifen traf, verlor
    Acheron schließlich die Kontrolle über den Wagen. Er rammte einen

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    am Straßenrand geparkten Studebaker, überschlug sich, schlidderte
    auf dem Dach quer über die Straße und kam zu guter Letzt einen
    knappen Meter vor mir zum Stehen. Er schaukelte noch einen
    Augenblick und lag dann still; das Kühlwasser vermischte sich mit
    auslaufendem Benzin.«
    Ich trank noch einen Schluck Wasser und blickte in die Runde. Sie
    hingen an meinen Lippen, doch das dicke Ende kam erst noch.
    »Ich lud nach und riß die Fahrertür des umgestürzten Wagens auf.
    Ich hatte eigentlich erwartet, daß er bewußtlos herausfallen würde,
    aber Acheron wurde meinen Erwartungen, wie schon so oft an diesem
    Abend, leider nicht gerecht. Der Wagen war leer.«
    »Hatten Sie ihn entkommen sehen?«
    »Nein. Genau darüber dachte ich nach, als ich eine vertraute Stimme
    hinter meinem Rücken hörte. Es war Buckett. Er war
    zurückgekommen.
    ›Wo ist der Kerl?‹ brüllte er.
    ›Keine Ahnung‹ stammelte ich und warf einen Blick auf den
    Rücksitz des Wagens. ›Eben war er noch da!‹
    ›Sie bleiben hier!‹ schrie Buckett. ›Ich sehe vorne nach!‹
    Ich war froh, daß mir jemand Befehle erteilte und die Last der
    Verantwortung von meinen Schultern nahm. Aber als Buckett sich
    zum Gehen wandte, flimmerte er leicht, und da wußte ich, daß etwas
    nicht stimmte. Ohne zu zögern, schoß ich Buckett dreimal in den
    Rücken. Er brach zusammen …«
    »Sie haben auf einen Kollegen geschossen?« fragte die SO-1Agentin ungläubig. »Noch

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