01_Der Fall Jane Eyre
sauer; die Art ihrer Befragung ging mir gegen
den Strich. Ich sammelte meine Gedanken und fuhr fort, um die Sache
so schnell wie möglich hinter mich zu bringen.
»Ich sah mich in der Wohnung um und stellte fest, daß im
Schlafzimmer ein Fenster offenstand. Es ging auf die Feuerleiter, und
als ich hinausspähte, entdeckte ich Acherons Gestalt vier Stockwerke
tiefer auf der rostigen Treppe. Gerade als mir klar wurde, daß ich ihn
nicht mehr einholen konnte, sah ich Snood. Er stolperte hinter einem
geparkten Wagen hervor, richtete seinen Revolver auf Hades und sank
auf die Knie. Damals verstand ich nicht, was er damit bezweckte.«
»Und heute?«
Ich ließ den Kopf hängen.
»Er war meinetwegen da.«
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Ich spürte, wie mir die Tränen kamen, und kämpfte mit aller Macht
dagegen an. Da ich nicht die Absicht hatte, vor diesen Leuten
loszuflennen wie ein kleines Kind, kaschierte ich mein Schniefen
durch geschicktes Hüsteln.
»Er war da, weil er wußte, was er getan hatte«, sagte Flanker. »Er
wußte, daß er Tamworth und Sie in Lebensgefahr gebracht hatte, weil
ihm Hades’ Name herausgerutscht war. Wir gehen davon aus, daß er
seinen Fehler wiedergutmachen wollte. Mit neunundachtzig Jahren
trat er einem Mann gegenüber, der erstens zu allem entschlossen und
ihm zweitens sowohl körperlich als auch intellektuell weit überlegen
war. Das war zwar tapfer. Aber dumm. Konnten Sie hören, worüber
die beiden gesprochen haben?«
»Anfangs nicht. Aber als ich die Feuertreppe weiter hinunterstieg,
hörte ich Snood ›Polizei!‹ und ›Auf den Boden!‹ rufen. Als ich im
zweiten Stock angekommen war, hatte Hades den Alten schon
überredet, ihm seine Waffe auszuhändigen, und erschoß ihn damit. Ich
drückte zweimal ab; Hades schwankte leicht, fing sich allerdings rasch
wieder und rannte zum erstbesten Wagen. Meinem Wagen.«
»Und dann?«
»Ich kletterte die Leiter hinunter, ließ mich fallen und landete
unglücklich in einem Abfallhaufen, wobei ich mir den Fuß
verstauchte. Als ich den Kopf hob, sah ich, wie Acheron das
Seitenfenster meines Wagens einschlug und die Tür öffnete. Es
dauerte nur ein paar Sekunden, dann hatte er das Lenkradschloß
geknackt und den Motor angelassen. Ich wußte, daß die Straße eine
Sackgasse war. Wenn Acheron entkommen wollte, mußte er mich
über den Haufen fahren. Ich humpelte zur Straßenmitte und wartete.
Als er losfuhr, drückte ich ab. Jeder Schuß ein Treffer. Zwei in die
Windschutzscheibe und einer in den Kühlergrill. Acheron gab Gas,
und ich leerte mein Magazin. Ein Seitenspiegel und ein Scheinwerfer
gingen zu Bruch. Wenn er nicht auswich, würde er mich überfahren,
aber das war mir in dem Moment egal. Der Einsatz war ohnehin ein
Desaster. Acheron hatte Tamworth und Snood umgebracht. Er würde
zahllose andere umbringen, wenn ich mich ihm nicht entgegenstellte.
Als meine letzte Kugel seinen rechten Vorderreifen traf, verlor
Acheron schließlich die Kontrolle über den Wagen. Er rammte einen
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am Straßenrand geparkten Studebaker, überschlug sich, schlidderte
auf dem Dach quer über die Straße und kam zu guter Letzt einen
knappen Meter vor mir zum Stehen. Er schaukelte noch einen
Augenblick und lag dann still; das Kühlwasser vermischte sich mit
auslaufendem Benzin.«
Ich trank noch einen Schluck Wasser und blickte in die Runde. Sie
hingen an meinen Lippen, doch das dicke Ende kam erst noch.
»Ich lud nach und riß die Fahrertür des umgestürzten Wagens auf.
Ich hatte eigentlich erwartet, daß er bewußtlos herausfallen würde,
aber Acheron wurde meinen Erwartungen, wie schon so oft an diesem
Abend, leider nicht gerecht. Der Wagen war leer.«
»Hatten Sie ihn entkommen sehen?«
»Nein. Genau darüber dachte ich nach, als ich eine vertraute Stimme
hinter meinem Rücken hörte. Es war Buckett. Er war
zurückgekommen.
›Wo ist der Kerl?‹ brüllte er.
›Keine Ahnung‹ stammelte ich und warf einen Blick auf den
Rücksitz des Wagens. ›Eben war er noch da!‹
›Sie bleiben hier!‹ schrie Buckett. ›Ich sehe vorne nach!‹
Ich war froh, daß mir jemand Befehle erteilte und die Last der
Verantwortung von meinen Schultern nahm. Aber als Buckett sich
zum Gehen wandte, flimmerte er leicht, und da wußte ich, daß etwas
nicht stimmte. Ohne zu zögern, schoß ich Buckett dreimal in den
Rücken. Er brach zusammen …«
»Sie haben auf einen Kollegen geschossen?« fragte die SO-1Agentin ungläubig. »Noch
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